Gedanken über Heer, Offizierskorps, Soldatenbund und Demokratie (Fortsetzung)

O. Wohlfahrt
1919
183" keit und nur wo Spuren der Entgleisung sich zeigten, da schritt der Vorgesetzte in ernster Besprechung ein, ohne daß deswegen Aktenberge aufgetürmt und förmliche Gerichtsverfahren eingeleitet wurden. Persönlich, von Mann zu Mann und meist mündlich, wurde die Sache ins Reine gebracht. So wuchs ein ganzer, ein stolzer Mann heran, zu dem man von unten herauf, wie von oben herunter, mit größter Achtung blickte. -So schuf man Autorität und Kraft und so war das Gerüste beschaffen, welches dem
more » ... zar Unterlage diente. Das war die Kraft, die wvkte, und welche jene Soldaten heranzog, die alles ertrugen im Ost und West, im verdürstenden Sonnenbrand, im Schlammeer und Wintergraus und welche nicht wankten im Feuersturm, unter platzenden Granaten und einstürzenden Mauern. Aber jene Männer starben auf der Wahlstatt und im Lazarett, sie wurden Krüppel und krank und an ihre Stelle traten junge, unerfahrene Offiziere, welche jene Kräfte nicht kannten, die früher am Werke waren, denen der tiefe Ernst abging, welcher die Alten geleitet hatte. -Sie gingen oberflächlicher, flüchtiger zu Werke. Sie blickten nicht so tief in die Seelen ihrer Soldaten und ihr Urteil über diese war oft schneller und manchmal ungerecht und herzlos. So genossen sie nicht die Achtung, welche ihren Vorgängern entgegengebracht worden war und das Band, welches alles zusammenhielt, wurde schlaffer. So Manches wird begreiflich, wenn man erfährt, daß das deutsche Heer vor Beginn des Krieges etwa 40,000, später aber etwa 200,000 Offiziere zählte und wenn man hört, daß etwa 85 % der aktiven Subalternoffiziere gefallen oder
doi:10.5169/seals-35284 fatcat:6zralnjpd5h27dc65dodsyo35y