Ueber die Bradycardie bei Erkrankungen des Herzens (Schluss aus No. 4.)

1893 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Den folgenden Fall beobachtete Herr Geheimrath Mosler im Jahre 1855 seinerzeit in Giessen. Fall 5. P. K., 48 Jahre alt, Lehrer aus A., stammt aus gesunder Familie und war, abgesehen von den gewöhnlichen Kinderkrankheiten, bisher stets gesund. Im 21. Jahre übernahm er als Volkslehrer in rauher Gebirgsgegend einen sehr schweren Dienst, den er bisher beibehalten. Vor einigen Jahren fiel er von einem hohen Kirschbaum herab auf den Rücken und blieb einige Zeit besinnungslos liegen. Hinterher
more » ... e er mehrere Wochen hindurch heftige Schmerzen im Kopf und im Rücken, die indessen schliesslich gänzlich verschwanden. Ungefähr ein Jahr später stellte sich, ohne direkt nachweisbare Veranlassung, Herzklopfen, leichte Athemnoth, Schwindel, sowie ein Gefühl allgemeiner Mattigkeit ein, besonders nach körperlichen Anstrengungen und psychischen Erregungen. Im October 1854 trat bei einem Spaziergang plötzlich Bewusstlosigkeit auf, die etwa 1/4 Stunde andauerte und sieh mehrere male an demselben Tage wiederholte. Die gleichen Anfälle von plötzlich auftretender Bewusstlosigkeit zeigten sich in 1) Nach einer Mittheilung lin Verein für innere Medicin in Berlin. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 102 DEUTSOHE MEDICINISOHE WOCHENSOHRIFT. No. 5 der nächsten Zeit häufig. Bisweilen traten sie mehrmals am Tage auf, bisweilen lagen Tage zwischen ihrem Erscheinen, bisweilen dehnten sich die Intervalle zwischen den Anfällen auf Monate aus. Manchmal stellten sie sich plötzlich ein ohne irgend welche Vorboten; dann 'wieder kündigten sich die Anfälle durch abnorme Sensation im Kopf, in der Herzgegend und allgemeine Mattigkeit an. Ein Schreck konnte sofort einen Anfall auslösen. Während der Anfälle waren krampfhafte Zuckungen der Extremitäten und der Gesichtsmuskulatur vorhanden. Beim Niederbücken hatte der Patient stets das Gefühl, als müsse er zusammenstürzen. Er begab sich nach Giessen, wo die Untersuchung im Mai 1855 folgenden Befund ergab: Der Patient hat eine Körpergrösse von 159 cm, ein Körpergewicht von 48 kg, untersetzte Figur und zeigt bei mittlerem Ernährungszustand eine leidlich entwickelte Muskulatur. Der Puls, von guter Spannung, ist sehr retardirt, seine Frequenz beträgt 28-30 Schläge in der Minute. Der Spitzenstoss, verbreitert über die Mammillarlinie hinaus, ist deutlich zu sehen und zu fühlen. Die Herzdämpfung ist ebenfalls nach links und aussen vergrössert. Der erste Ton über der Mitralis dumpf. Geräusche fehlen an dieser wie an den anderen Klappen. Die Respirationsorgane zeigten bei der Untersuchung normale Verhältnisse. Die Athemfrequenz schwankte zwischen 12 und 16, die Excursionsbreite des Thorax bei In-und Exspiration zwischen 83 und 79 cm. Die Digestionsorgane waren gesund. Die Harnausscheidung verhielt sich sowohl qualitativ wie quantitativ normal. Tabelle III zeigt das Verhalten der Temperatur, der Athem-und der Contractionsfrequenz des Herzens, sowie der Harnausscheidung in dieser Periode. Tabelle III. Unter dem Einfluss der eingeleiteten Behandlung, namentlich unter dem Einfluss voller Ruhe kehrten die Anfälle plötzlicher Bewusstlosigkeit mit Krämpfen nicht wieder, und der Patient reiste am 21. Juli in seine 1]Ieimath zurück.
doi:10.1055/s-0029-1205372 fatcat:xzew2ijkvrbajjeq2gosok4hdy