Computergestütztes Screening kognitiver Beeinträchtigungen - Ergebnisse einer Validierungsstudie zum Programm "Kopfsache Interaktiv"
Hellmut Erzigkeit, Jens Wiltfang, Johannes Kornhuber
2005
psychoneuro
psychoneuro 2005; 31 (7+8): 392-397 E twa 17% der über 65-jährigen Menschen leiden an leichten kognitiven Störungen (MCI, mild cognitive impairment), die durch eine gegenüber dem Altersdurchschnitt messbar reduzierte geistige Leistungsfähigkeit zumeist im Bereich des Gedächtnisses gekennzeichnet sind (2). Da aufgrund des geringen Ausprägungsgrads der kognitiven Beeinträchtigung die Alltagskompetenz relativ gut erhalten ist, erfüllen MCI-Patienten die diagnostischen Kriterien eines demenziellen
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... yndroms nicht. Bei Konversionsraten, die in der Literatur mit bis zu 50% innerhalb von drei Jahren angegeben werden, stellen Patienten mit einer leichten kognitiven Störung die gegenwärtig am besten definierte Risikogruppe für die Entwicklung einer Demenz dar. Im Rahmen der Demenzfrüherkennung und des frühzeitigen Therapiebeginns haben MCI-Patienten in den letzten Jahren deshalb besondere Beachtung erfahren. Patienten mit leichten kognitiven Störungen nehmen das Nachlassen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit in der Regel auch subjektiv wahr. Dies ist häufig verbunden mit enormem Leidensdruck und der Sorge, an "Alzheimer" zu leiden. Aufgrund des Interesses an der Überprüfung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit stellt die Gruppe der MCI-Patienten eine wachsende Klientel von Gedächtnissprechstunden und Memory-Kliniken dar. In einigen Einrichtungen wird der Anteil von Personen mit leichten kognitiven Störungen mit 30% des gesamten Patientenaufkommens angegeben (4). Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklung mitbedingt ist durch die bessere Information der Öffentlichkeit über die Frühsymptome von Demenzerkrankungen sowie durch die sich durchsetzende Erkenntnis, dass aufgrund wirksamer Behandlungsmöglichkeiten ein therapeutischer Nihilismus nicht mehr gerechtfertigt ist. Dennoch ist zu vermuten, dass viele Personen, die bei sich selbst kognitive Einbußen bemerken, aus Angst vor einer ungünstigen Diagnose die Untersuchung beim Arzt oder in einer Gedächtnissprechstunde scheuen. Die weitere Verbesserung der Demenzfrüherkennung bedarf deshalb der intensiveren Aufklärung über Ursachen und Therapie kognitiver Leistungseinbußen sowie der Entwicklung niedrigschwelliger Screeningangebote. Computergestützte Screeninginstrumente für kognitive Leistungseinbußen, die anonym -beispielsweise als CD oder im Internet -eingesetzt werden können, stellen eine Möglichkeit dar, einen weiteren Personenkreis zu erreichen. Mit dem hier vorgestellten und einer ersten empirischen Überprüfung unterzogenen Computerscreening "Kopfsache interaktiv" wurde versucht, spielerische Momente der Prüfung des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit mit medizinischen Informationen für den Benutzer zu verbinden. Die automatisierte Auswertung soll dem Benutzer die Selbsteinschätzung seiner Leistungsfähigkeit ermöglichen, wobei die Rückmeldung der Ergebnisse gegebenenfalls auch Empfehlungen für weitere diagnostische Schritte beinhaltet. Mit Unterstützung der BKK BMW führten über tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BMW Werke Dingolfing zusammen mit psychometrischen Tests das Programm "Kopfsache interaktiv" durch. Die Untersuchung diente der Ermittlung von Referenzwerten für die Leistungen gesunder, im Arbeitsprozess stehender Menschen. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass "Kopfsache interaktiv" als Awareness und Screening-Programm zur Erfassung leichter kognitiver Defizite in den Bereichen der Aufmerksamkeits-und Gedächtnisleistungen geeignet ist. Die ermittelten Durchschnittsleistungen wurden als Grundlage für eine erste Normierung genutzt. Die positiven Rückmeldungen der Untersuchungsteilnehmer belegen die hohe Akzeptanz des Programms. Hellmut Erzigkeit Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-2005-915996
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