Britische Infiltrationsbemühungen in Transkaukasien 1939/40
Günter Kahle
1974
Militärgeschichtliche Zeitschrift
Vom Herbst 1939 bis zum Frühjahr 1940 wurden von den Alliierten Pläne erarbeitet und Vorbereitungen getroffen, die bis dahin auf Mitteleuropa begrenzten Kriegshandlungen u. a. audi auf Skandinavien und den Vorderen Orient auszudehnen. Während die Franzosen bei diesen Überlegungen vor allem von der Hoffnung ausgingen, durch die Errichtung neuer und von Frankreich entfernt liegender Kriegsschauplätze die deutsdien Kräfte zu zersplittern und die drohende deutsche Offensive möglidist lange
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... ögern oder ganz zu verhindern, schließlich auch durch die Gewinnung weiterer Verbündeter das Kräftepotential der Alliierten zu stärken, neigte man in Großbritannien zu der Auffassung, daß in diesem frühen Stadium des Krieges und bei dem derzeitigen Stand der englischen Rüstung die wirtschaftlidie Blockade gegen Deutschland eines der sichersten -und zugleich risikolosesten -Mittel sei, die zum Sieg führen würden. Eine Ausweitung des Krieges auf Skandinavien (»Nordplan«) sollte, der offiziellen Version zufolge, einer militärischen Entlastung der Finnen im Winterkrieg 1939/40 gegen die UdSSR dienen. Das eigentliche Ziel dieser Operation bestand jedoch darin, die nordschwedisdien Erzlager von Gällivare und Kiruna mit den Ausfuhrhäfen Luleä und Narvik unter alliierte Kontrolle zu bringen, um den Deutsdien die von ihnen dringend benötigte Erzzufuhr aus dem Norden abzuschneiden. Im zweiten Fall, dem sogenannten »Südplan« erwogen die Alliierten einen Angriff auf die sowjetischen Erdölzentren in Transkaukasien, um damit die sowjetischen öllieferungen nach Deutschland zu unterbinden und zugleich die UdSSR -in der man einen potentiellen Bundesgenossen des Deutschen Reiches erblickte -entscheidend zu schwächen. Beide Projekte entsprachen sowohl den englischen Vorstellungen von einer Verschärfung der Blockade als auch den französischen Wünschen, den Krieg von den eigenen Grenzen -wenigstens vorläufig -fernzuhalten. Durch zahlreiche alliierte Dokumente, die von den deutschen Truppen 1940 in Norwegen und Frankreich erbeutet und kurze Zeit später offiziell publiziert wurden 2 , sind diese Pläne schon im ersten Kriegsjahr bekannt geworden. Während die erbeuteten Akten über den »Nordplan« recht umfangreich waren, fielen den Deutsdien nur verhältnismäßig wenige Dokumente über den weitaus sensationeller anmutenden »Südplan« in die Hände s , deren Veröffentlichung in der Presse verständlicherweise weltweites Aufsehen erregte 4 . Aus ihnen ging 1 Die Bezeidinungen »Nordplan« für die beabsichtigte alliierte Unterstützung Finnlands im Winterkrieg 1939/40 und »Südplan« für das Kaukasusunternehmen werden vornehmlich in der Historiographie der Ostblockländer verwandt.
doi:10.1524/mgzs.1974.16.2.97
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