Gipsabgüsse als "originale" Repliken im Museum : von der Form zur Materie

Karin Renold
2015
schrumpfen Reliquien (und als solche betrachtet er Museumsobjekte) zur «Faktizität ihres Materials, wenn die mythischen, ideologischen Komponenten, unter denen sie wahrgenommen wurden, zusammenbrechen».' Anhand verschiedener Quellen aus dem Mnsenm der Kntoren Basel lässt sich unter anderem dieser Vorgang exemplarisch nachvollziehen. Die Hauptquelle für diesen Artikel ist eine Karteikarte des Mwseams der Kw/twre« Basel.* Das Objekt VI 860, das im Jahr 1906 in die Sammlung aufgenommen wurde, ist
more » ... in «Geèdckmodel, Gipsabguss» respektive «GeMckmode/, Rütlischwur, Gipsabguss», wenn wir das nach unten gesetzte mittlere Wort mit einbeziehen (Abb. 1).' Dass das Mwseam der Kal/wren Basel eine grosse Gebäcksammlung besitzt (circa 2500 Objekte), erstaunt heute. Bis in die 1960er-Jahre aber war diese Gebäcksammlung ein Aushängeschild der Abteilung Europa. «Auf unsere Gebäcksammlung dürfen wir allmählich mit Recht stolz sein», schreibt etwa Robert Wildhaber, der damalige Kurator, im Jahresbericht 1955." Als eines der «Spezialgebiete» werden die Gebäcke im Jahresbericht 1960 vermerkt.® Fotos von Nahrungsmitteln sind zu dieser Zeit auch ganz selbstverständlich in Publikationen zu finden. 1961 etwa in der Publikation «Polnische Volkskultur»,® wo «Pferdchen aus Schafkäse» oder «Neujahrsgebäck» ebenso gezeigt werden wie «Irdenware» oder eine «Felljacke». Eine Vermutung geht dahingehend, dass das Museum Gebäck sammelte, weil auch private Haushalte Gebäcke für verschiedene Zwecke aufbewahrten.* So weisen einige «Änisbrötli» in der Sammlung des Museums eine «Aufhängeröse» auf (etwa VI 30025). Das heisst, dass «Änisbrötli» nicht nur gegessen, sondern dass einige auch aufgehängt und aufbewahrt wurden. Auf der Karteikarte VI 860 bezeichnet das mittlere Wort das Motiv, welches mit dem Objekt in die Sammlung kam. Das Objekt belegt, dass es den geschnitzten Model (aus Holz) gab, dervermutlich in Bäckereiendazu verwendet wurde, das Motiv «Rütlischwur» auf «Änisbrötli» zu prägen. «Änisbrötli» sind süsse Kleingebäcke, die in der ganzen Schweiz vor und zu Weihnachten, und in den 170 Halbkantonen Basel und Basel-Landschaft das ganze Jahr hindurch gebacken Erhaltenden scheint auch die Entwertung der Kopien zu beginnen. Die Kopie Renold: Gipsabgüsse Abb. 4: V/ 626.07, Gi/w-aBgwyy emey Äm'y7>rot-Mot/e/s, Vbraferyeüe. (Foto: Farm 7?eno/d, 2073. © M«ye«m der F«/Z«ren Baye/) Abb. 5 : V7 626.07, Gi/w-aOgayy eines Am'yèrof-Mode/y, Rückseite. (Force Farm RenoM, 2073. © Mirseam der Fa/faren Baye/) ist nur eine von unendlich vielen möglichen Kopien. Bei der Inventarisierung wird zumeist der formgebende Model an erster Stelle aufgenommen (VI 1792; VI 635). In dieser Hierarchisierung spielt auch das Material, respektive dessen Haltbarkeit eine Rolle. Je länger haltbar, desto weiter vorne in der Aufzählung erscheinen die Materialien. Bei VI 1792.01-03 ist dies etwa die Reihenfolge Holz (der Model), sowie je ein Abguss aus Gelatine sowie Plastilin. Auf der Karteikarte zu den Objekten VI 635.01-03 ist die Reihenfolge Holz (der Model), und dann Abgüsse aus Gips respektive Salzteig.Hier ist zudem auch die zunehmende
doi:10.5169/seals-650792 fatcat:3uodup6n2ngfro23yn6feysfsi