Diskussion. Erwiderung auf G. Hauck
Alfred Bohnen
1985
Zeitschrift für Soziologie
Eine Kritik ist wenig ergiebig, wenn sie die anzu greifende Position nicht richtig darstellt oder ver biegt. Das gilt auch für den Beitrag von Hauck. Gleich zu Anfang schon unterstellt er mir Auffas sungen, die ich nirgendwo in meinem Aufsatz ver treten habe: daß es nur eine sozialwissenschaftli che Erklärungsart (aus dem Eigennutzprinzip) gä be und daß Erklärungen aus Systemeigenschaften oder aus Verständigungsorientierung unmöglich seien. Ich weiß nicht, wie er zu dieser Fehldeutung kommt.
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... n Punkt war doch vor allem der, daß zur Erklärung bestimmter Formen der Handlungs koordinierung ein Übergang von der Handlungszur Systemtheorie weder möglich noch auch erfor derlich ist, weil es eine erklärungskräftige System theorie der Gesellschaft nicht gibt und weil die fraglichen Koordinierungstatbestände durchaus auch handlungstheoretisch zu erfassen sind, wie in der ökonomischen Tradition im Prinzip gezeigt worden ist. Wenn nun Hauck, wie er selbst sagt, schwerwiegende inhaltliche Bedenken gegenüber meinem Aufsatz hegt, dann hätte er diese Thesen widerlegen oder sonstwie kritisieren müssen. Aber eben das tut er nicht. Stattdessen verwendet er den größten Teil seines Beitrags dazu, um etwas nach zuweisen, das von mir nirgendwo bestritten wor den ist, nämlich die Möglichkeit, Verhaltenswei sen von Menschen aus Systemeigenschaften (im Sinne irgendwelcher gesellschaftlicher Struktur merkmale) zu erklären. Die Folge ist, daß seine als Kritik gedachten Ausführungen ins Leere treffen. Vermutlich hat Hauck stillschweigend vorausge setzt, daß eine Erklärung aus Systemeigenschaften nur auf der Grundlage einer besonderen System theorie der Gesellschaft durchgeführt werden kann. Aber das ist ein Irrtum. So findet man gerade im ökonomischen Denken (etwa im Rah men des sogenannten Property Rights-Ansatzes) nutzentheoretisch fundierte und damit individuali stische Erklärungsversuche, bei denen es um die Beantwortung der Frage geht, warum und in wel cher Weise aus unterschiedlichen Systembedingun gen in Gestalt verschiedener Rechtssysteme unter schiedliche soziale Verhaltenskonsequenzen resul tieren. Nebenbei gesagt, zeigt sich auch in diesen Analysen wieder einmal, wie unbegründet die gän gigen und auch von Hauck wiederholten Einwände sind, die sich gegen eine individualistische Vorge hensweise richten und die mit den Schlagworten "reduktionistisch" und "ahistorisch" verbunden werden. Zugleich wird deutlich, daß kein Soziolo ge, der der ökonomisch-individualistischen Tradi tion nahesteht, erst noch darüber belehrt werden muß, daß -wie Hauck es ausdrückt -gleichartige Verhaltensorientierungen in unterschiedlichen Sy stemen völlig unterschiedliche Konsequenzen im Handeln der Betroffenen zeitigen. Schließlich noch zur Frage nach dem Sanktionsbe griff. Abgesehen davon, daß ich keineswegs jedes Verhalten als sanktionsorientiert betrachte, ist mir nicht klar, was Hauck mir eigentlich als Sünde wider den Geist der Wissenschaft ankreidet, wenn er mir vorhält, daß bei Mitberücksichtigung von internen Sanktionen der Sanktionsbegriff zu einem Begriff mit totalem logischen Spielraum ausgewei tet wird. Ich nehme an, daß er hier in methodologi scher Hinsicht etwas durcheinander geworfen hat. Er scheint nämlich den Unterschied zwischen dem logischen Spielraum von Aussagen und dem Um fang von Begriffen nicht zu sehen sondern beides miteinander zu vermengen. Das zeigt sich darin, daß er die Idee des Spielraums, die sich ja auf den Unauthenticated Download Date | 3/4/20 7:15 PM
doi:10.1515/zfsoz-1985-0207
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