»Man hatte mir doch das Paradies versprochen!« [chapter]

Ute Wessels
2020 Was nur erzählt und nicht gemessen werden kann  
Zum Verstehen der Auswirkung der transgenerativen Weitergabe schwerer Traumatisierungen in einer Psychoanalyse Ute Wessels Frau K. suchte meine Praxis auf, weil sie unter schweren chronischen Depressionen und Ängsten litt, die sich auf gewalttätige Männer bezogen, und unter einer enormen inneren Einsamkeit, Leere und Orientierungslosigkeit, die ich mit einer internalisierten »Mutterlosigkeit« verknüpfte. Sie selbst wollte keine Kinder in die Welt setzen, weil Kinder nur »leiden, krank werden
more » ... sterben« können. »Mutterlosigkeit« bedeutete, wie sich in der psychoanalytischen Behandlung herausstellte, dass dort, wo eine Mutter Sicherheit, Halt, Vertrauen, Orientierung und Sorge um das Wohl des Kindes bereitstellt, für Frau K. ein »Nichts« war. Ihre Mutter war kumulativ traumatisiert zu einem Menschen geworden, der affektiv eingeschränkt weder Scham-noch Schuldgefühle empfinden, die emotionale Bindung zu ihrer Tochter nicht aufrecht halten und vor allem keine Sorge empfinden konnte -»No Concern« im Sinne Winnicotts (Winnicot, 1965). Sie konnte keine »Mutter« sein, war selbst als hilfloses Opfer identifiziert und wirkte sehr »bizarr«. Sie wollte ihre Tochter vor gewalttätigen Männern schützen, indem sie ihr »Tricks« beibrachte, falls sie überfallen würde, und belastete sie über projektive Identifikation mit paranoiden Ängsten; darüber hinaus brachte sie ihre Tochter bei unterschiedlichen Bezugspersonen oder bei der Großmutter (mütterlicherseits) unter, weil sie entfernte Arbeitsstellen einnahm, die sie häufig wechselte. Trotzdem liebte sie ihr Kind (Frau K.) und brachte bei Besuchen liebevolle Geschenke mit. Kleine liebevolle Geschenke, die Frau K. sich später selbst machte, garantierten ihr noch im Erwachsenenalter ein Gefühl von innerer Sicherheit und Trost. Sie konnte sich nie von den Geschenken trennen und stapelte sie zu Hause bis zur Decke. »Meine Mutter war immer auf der Flucht, hat mich alleingelassen oder manchmal auch mitgenommen, wodurch ich mein Zuhause bei meiner https://doi.org/10.30820/9783837976991-209 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 12.12.2020, 15:17:47. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
doi:10.30820/9783837976991-209 fatcat:7okimtacqbg7nk4oebbjs74nha