Oelze, Anselm: Animal Rationality. Later Medieval Theories 1250–1350

Henryk Anzulewicz
2020
Schon das lateinische Mittelalter kannte Theorien der Rationalität der Tiere -so lautet die These, die in der Überschrift dieses Bandes plakativ zum Ausdruck kommt und die Anselm Oelze zum Forschungsgegenstand seines Promotionsstudiums an der Humboldt-Univ. in Berlin sowie zum Erweisziel seiner unter Supervision von Dominik Perler und Bernd Roling verfassten Diss. gewählt und im Jahre 2017 erfolgreich verteidigt hat. Den reichhaltigen Ertrag seiner mit Sorgfalt und Umsicht, guten Kenntnissen
more » ... Quellen sowie der thematisch relevanten Forschungsliteratur, mit Sachkompetenz, argumentativer Klarheit und narrativer Gefälligkeit (in englischer Sprache) verfassten und für den Druck zügig revidierten Doktorarbeit präsentiert der Vf. nunmehr dem fächerübergreifend interessierten Publikum. Die Studie lässt Äußerungen wie die von A. Rotzetter, der im Vorwort zur Dokumentation der ersten Tagung des Münsteraner Instituts für theologische Zoologie, eine Art der oratio pro domo, die "übliche Gleichgültigkeit kirchlicher Amtspersonen und Institutionen" und "der großen Mehrheit der Christen gegenüber dem Thema 'Tier'" (Neue Wahrnehmung des Tieres in Theologie und Spiritualität, hg. v. Rainer HAGENCORD / Anton ROTZETTER, Berlin/Münster 2014 [Jahrbuch Theologische Zoologie, 1/2014], 9) registriert, als skurril erscheinen. An Oe.s Studie, die keineswegs eine Ausnahmeerscheinung darstellt (vgl. "Bibliography/Secondary Literature", 243-263), kann man ablesen, dass Tiere weder das privilegierte Objekt eines spezifisch religiösen, biblisch-christlichen Bewusstseins sind, noch ihre Würde von einer theologischen Erziehung, Bildung und Praxis abhängt, wenngleich die schöpfungstheologische Wertschätzung der Sinnenwesen zweifellos zum Bestandteil des christlichen Glaubens gehört. Das Interesse für Tiere überschreitet die kulturellen, weltanschaulichen und konfessionellen Schranken und bewegt heute mehr denn je Mensch und Gesellschaft, Wissenschaft und Politik. Nicht der ökonomische Nutzen, sondern vielmehr die Würde und der biologisch-ökologische Eigenwert sowie die Verhaltensbiologie der Tiere, ihre Lernfähigkeit, Klugheit und das Verhältnis von Mensch und Tier sowie die hieraus ableitbaren bioethischen und normativen Implikationen ziehen gegenwärtig vermehrt die Aufmerksamkeit auf sich. Dass dieses besondere Interesse nun auch die Theologie als Wissenschaft erfasst hat, geht offenbar auf den gegenwärtigen animal turn zurück (vgl. "Preface", XI). Die wissenschaftshistorischen und systematischen Untersuchungen, wie die vorliegende Studie, die der als Wissenschaft unter dem Dach der Naturphilosophie bereits im Mittelalter begründeten und gegenwärtig wiederbelebten Tierphilosophie zuzurechnen sind, unterstreichen dieses Interesse und zeigen, dass die Auffassung vom Tier im lateinischen Mittelalter pluralistisch und für einen
doi:10.17879/thrv-2020-2693 fatcat:tot4e7jkfnazdjsfofzoodycxm