Ein Beitrag zur klinischen und forensischen Beurteilung der chronischen Meningoencephalitis tuberculosa
Felix Landois
1907
Deutsche Medizinische Wochenschrift
am Institut. Die Tuberculose der weichen Hirnhaut tritt in dreierlei verschiedener Gestalt auf. Bei der ersten Form ist die Leptomeninx durchsetzt von einer Menge submiliarer und miliarer Tuberkelknötchen, die sich um die Gefäße konzentrisch gruppieren und bei denen es zu einer ausgesprochenen Verkäsung kommt. Prädilektionsstellen sind die Basis des Gehirns, vor allem die Gegend des Chiasma opticum und des Pons und die Fossae Sylvii. Gleichzeitig ist in den Maschen der Leptomeninx ein
more »
... s, bisweilen trübes Exsudat vorhanden, verbunden mit einem Hydrocephalus der Gehirnventrikel. Bei dieser Erkrankungsart kommt es auch gleichzeitig, wie zuerst F. Schnitze nachgewiesen hat, immer zu einer Knötcheneruption in die weiche Haut des Rückenmarks. Sie ist die häufigste Form der tuberculösen Meningitis. Zum Zweiten ist der Solitärtuberkel der Pia mater nicht gerade selten. An einer Stelle des Gewebes kommt es zur Ansiedlung des Tuberkelbacillus und damit zur Bildung eines typischen Tuberkels. Schichtweise vergrößert sich dieses anfänglich kleine Gebilde immer mehr, indem unter Einwirkung der Bacillen das den Tuberkel umgebende, jedesmal neugebildete Granulationsgewebe von frischen Knötchen durchsetzt wird, die dann der Verkäsung anheimfallen. Diese Gebilde, die bis zur Größe eines Gänseeis. anwachsen können, bleiben lange Zeit unbemerkt, bis sie eines Tages unter dem Bilde eines Hirntumors in die Erscheinung treten oder aber durch Ausbildung einer Miliartuberculose der Meningen den Tod des Trägers schnell herbeiführen. Drittens kann die Tuberculose der Leptomeninx, und das ist wohl die seltenste Erkrankungsform, auftreten unter dem pathologisch-anatomischen Bilde einer M e n i n g o e n c op h al i ti s chronica tuberculosa. Hierbei kommt es zu einer ganz zirkumskripten herdförmigen Entzündung der Pia mater auf der Convexität des Gehirns, gewöhnlich im Bereiche des motorisehen Rindenzentrums. Die weiche Hirnhaut ist stark verdickt; überall in den Maschen derselben, besonders um die Gefäße herum, finden sich Tuberkel, die teilweise verkäst sind, ohne Anhäufung von Exsudat, und infolge der schlechten Ernährung durch die erkrankten Gefäße kommt es allmählich zu einer Zerstörung der darunter liegenden grauen Hirnsubstanz. Erst dann, wenn diese stärker gelitten hat, tritt die bis dahin vollständig schleichend verlaufende Erkrankung in die Erscheinung unter Symptomen einer mehr oder minder schnell auftretenden Lähmung oder partieller Epilepsie (Jacksonsehen), seltener einer allgemeinen Epilepsie. Diesem Krankheitsbilde hat Joh. Seitz als einer der ersten Erwähnung getan und in seinem Werke über die Meningitis tuberculosa des Erwachsenen (in Fall 50) den pathologisch-anatomischen Befund und das klinische Bild geschildert. Genauer studiert ist dasselbe scdann von den französischen Forschern Ballet, Chantemesse, Combe, Comby, Raymond, die diese herdförmig auftretende Erkrankung der weichen Hirnhaut mit dem Ausdrucke Méningite tuberculeuse en plaque zu bezeichnen pflegen. Hirschb erg hat als erster unter Mitteilung von drei eigenen Beobachtungen und aller der in der Literatur bis zum Jahre 1887 niedergelegten, die klinischen Merkmale dieser Erkrankung zusammengestellt und auf ihre Wichtigkeit im Sinne der Diagnostik hingewiesen. In neuester Zeit sind dann noch Arbeiten von Mongeur et Lande und von Madelaine erschienen. Im Jahre 1896 hat Otto Busse am Greifswalder Pathologischen Institut einen Fall von herdförmiger tuberculöser Meningitis beschrieben, der ebenfalls in dieses Gebiet hineingehört, der sich aber dadurch besonders auszeichnet, daß bei diesem die Iangdauernde Erkrankung zu einer ausgesprochenen fibrösen Schwielenbildung auf der Convexität des Gehirns geführt hatte. Stellenweise hatte sich die bindegewebige Schwarte bis zu einer Dicke von 1,5 cm ausgebildet. Obgleich an den verschiedensten Stellen Tuberkelknötchen nachgewiesen werden konnten, war es an keiner Stelle zur Verkasung gekommen; es war vielmehr überall die Tendenz zur Bildung von Narbengewebe vorhanden. Auf die klinische und forensische Bedeutung dieser Befunde komme ich später noch zurück. Ich bin heute in der Lage, einen ganz ähnlichen Fall zu beschreiben, bei dem neben schwieliger Verdickung der Leptomeninx der Krankheitsprozeß gleichzeitig auch zur Verwachsung der weichen und der harten Hirnhaut geführt hat. Krankengeschichte. Am 26. Juni 1906 kam im hiesigen Institute die Leiche eines 29jährigen Mannes zur Sektion, der auf 2 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0028-1135977
fatcat:7x7sctygq5hfpc2qrc2geqsgja