Zehn Tipps für eine erfolgreiche Schmerztherapie in der Praxis
2014
PrimaryCare
Strategien und Substanzen zur Schmerzbehandlung braucht es zwingend in unserer hausärztlichen Grundausrüstung: Die Not des Patienten ist ausgewiesen, Handeln ist angesagt. Doch wie? Das WHO-Stufenschema der Schmerztherapie ist wohl allen geläufig, und es gibt gute, aktuelle pharmakologische Übersichten zum Thema [1]. Schmerztherapie in der hausärztlichen Praxis geht aber darüber hinaus. Lesen Sie dazu zehn Tipps und Tricks, und urteilen Sie selbst: Graue Theorie oder nützlich für Ihre Arbeit?
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... chts Neues für die «alten Hasen», für die Jungen aber vielleicht einen Versuch wert? 1. Ursache klären und beheben, wo möglich! An erster Stelle steht die Pflicht, die mögliche Ursache zu klären, damit wir nicht unnötig schmerzhafte Zeit zuungunsten des Patienten verlieren oder ihn sogar gefährden. Das meinen Patienten damit, wenn sie äussern, Analgetika «überdecken nur Symptome». Beispiele von Schmerzursachen gibt es genug, die ein beherztes, oft invasives Vorgehen erfordern anstelle von symptomorientierten analgetischen Massnahmen: die akute Appendizitis, der Zahnwurzelinfekt, die neurokomprimierende Diskushernie und viele mehr. 2. Zeit heilt Wunden und auch Schmerzen Damit trösten wir unsere Patienten manchmal, wenn sie zum Beispiel einen nahestehenden Menschen verloren haben. Sofern Alarmzeichen (red flags) fehlen, lohnt sich auch bei Schmerzen ein beobachtend-abwartendes Verhalten, be-sonders bei Traumata oder lokalen Irritationen. Eine Wunde, eine Zerrung, eine Stauchung, eine Phlebitis, ein Sinusitis-Schmerz? Nach Tagen bis Wochen vergessen. Ein Fersensporn, ein Tennisellbogen oder eine überlastete Rotatorenmanschette? Nach Monaten Geschichte. Glücklicherweise verfügen wir über eine Reihe körpereigener reparativer Mechanismen. Wachsam bleiben ist aber angesagt: Nimmt der Schmerzverlauf eine unerwartete Wendung zur Verschlechterung, müssen wir die exakte Diagnose aktiv erzwingen. Ebenso beim Risikoträger für eine mögliche Differentialdiagnose, denn dann ist die Vortestwahrscheinlichkeit für die mögliche, folgenschwere Diagnose per se höher. 3. Suggestion und Plazebo Kaum ist die Injektion oder die Akupunkturnadel gesetzt, verspürt der Behandelte Erleichterung. Schon der Besuch beim Arzt, das Bewusstsein, etwas gegen den Schmerz zu unternehmen und sich darüber zu äussern, bedeutet oft Linderung. Esoterisches Geplänkel? Nein, dazu besteht wissenschaftliche Evidenz. 2 Erfahrene Ärzte setzen diese suggestive Kraft bewusst ein, und die Cracks hypnotisieren ihre Schmerzpatienten in die Schmerzfreiheit hinein. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Zuversicht, dass ein Schmerz harmloser und vorübergehender Natur sei, sich lindernd auswirkt -im Gegensatz zur Verunsicherung und der Bedrohung, die von einem Schmerz ausgeht, dessen Ursache und Prognose unklar bleibt. 4. Physik und Mechanik Zum Abschluss dieses nicht-pharmakologischen Teils die Analgesie am Bewegungsapparat. Nichts tun («schonen») befreit von vielen bewegungsabhängigen Schmerzen, wenigstens vorüber gehend: Sofa oder Rollstuhl als Schmerztherapie. Der Gehstock anstelle der Schmerztablette. Die Thermik und Mechanik helfen, je nach Grundproblem: Der Eisbeutel als Nervendämpfer, die Wärmeflasche als Muskelentspanner. Die fachkundige Massage, die Muskeldehnung oder schlicht der beherzte Druck aufs Schmerzgebiet lindern. Die Schuheinlage richtet den Fersenschmerz. Und wo die einfacheren Massnahmen versagen, hilft das «grobe Geschütz» der orthopädischen Chirurgie. 1 Gleichwertig zur männlichen Form ist immer auch die weibliche Form gemeint. 2 Berühmt geworden ist das historische Beispiel des Wundarztes Henry Beecher im Zweiten Weltkrieg: Als ihm bei der Versorgung schwerverletzter Soldaten die Morphinampullen ausgingen, verabreichte er ihnen Kochsalzlösung, deklariert als hochwirksames Schmerzmittel. Die wundersame schmerzlindernde Wirkung des NaCl war durchschlagend und wurde weiter beforscht -inzwischen ist nachgewiesen, dass diese Plazebowirkung über Opiatrezeptoren funktioniert (und mittels Opiatantagonisten blockierbar ist).
doi:10.4414/pc-d.2014.00721
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