4. Gouvernementalität als praxisorientierte Perspektive [chapter]

Gouvernementalität der Wissensgesellschaft  
Mit dem Begriff der Rationalität der Gouvernementalität -so wie er von Foucault gefasst wird -ist das immanente Wissen historischer Praktiken als handlungsleitendes Wissen gemeint, dass kein neutrales und wertfreies Wissen darstellt, sondern dieses "Wissen stellt vielmehr bereits eine intellektuelle Bearbeitung der Realität dar, an der politische Technologien ansetzen können" (Lemke et al. 2000: 20f.). Es geht darum herauszufinden, welcher Typ von Rationalität ein spezifisches Handeln bestimmt,
more » ... d.h. welche Wahrnehmungs-und Beurteilungsstrategien sie hervorbringen, durch welche Hintergrundregeln sie bestimmt werden und nach welcher Logik sie operieren. Und schlussendlich um die Frage, welche Technologien der Macht selbst dabei zur Geltung kommen: Wissenschaftliches Wissen, zum Beispiel ein medizinisches Wissen, operiert nach einem bestimmten Rationalitätstyp und generiert Sinn. Unsere Vorstellungen von Leben und Tod, von Krankheit, Behinderung, von Gesundheit basieren nicht allein auf medizinischem Wissen, sondern sind in einem weitläufigen diskursiven Feld verortet. Jedoch hat die Medizin als Wissenschaft eben jene Deutungsmacht erlangt, die sie aufgrund ihrer Geschichte und Entwicklung als die autoritäre Kraft auszeichnet, die Normen setzen kann und über die Differenz zwischen dem, was als normal und dem, was als nicht-normal zu gelten hat, entscheiden kann. 1 Ebenso unsere Vorstellungen von Demokratie und Gemeinwesen, die auf einer Ursprungsgeschichte beruhen, die in der Antike mit dem attischen Stadtstaat beginnt, über die imaginierten Theorien des Kontraktualismus und Konventionalismus bis hin zu der heute dominierenden Form einer auf den Menschenrechten basierenden freiheit-1 Vgl. Junge 2001.
doi:10.14361/9783839409572-004 fatcat:llula5rgx5a45nozii3pao75fe