Das Recht auf Freizügigkeit und seine Schranken nach zehn Jahren Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat

Andrea Kießling
2015 Europarecht  
Die Beschränkung des Freizügigkeitsrechts Gem. Art. 21 Abs. 1 AEUV steht das Freizügigkeitsrecht unter dem Vorbehalt "der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen". Art. 21 AEUV regelt selbst nicht, welche Beschränkungen dies sind. Die Schrankenregelung wird deswegen zum einen als Verweis auf den Vorbehalt gesehen, unter dem die die drei genannten marktbezogenen Freizügigkeitsgewährleistungen stehen 7 : Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 und
more » ... rt. 62 iVm Art. 52 Abs. 1 AEUV erlauben Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Zum anderen bezieht sich der Verweis auf die "Vorbehalte in Durchführungsvorschriften" auf die Freizügigkeitsrichtlinie, 8 die auch an die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zur Beschränkung des Aufenthalts anknüpft (Art. 27 Abs. 1 S. 1). Diese sekundärrechtliche Verankerung ist nicht neu: 1964 wurde die nun durch die Freizügigkeitsrichtlinie aufgehobene Richtlinie 64/221/EWG des Rates zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern 9 erlassen, die bereits auf Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit abstellte. Die Richtlinien sehen also den gleichen Vorbehalt wie die marktbezogenen Freizügigkeitsgewährleistungen vor. Dieser "Einschränkungsvorbehalt" wirkt im Rahmen der europäischen Grundfreiheiten wie im deutschen Recht die Schranken zu den einzelnen Grundrechten. 10 Die Richtlinien begrenzen diese möglichen Ausweisungsgründe bzw. konkretisieren sie: Die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit durften schon 1964 nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG; nun Art. 27 Abs. 1 S. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie), es darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein (Art. 3 Abs. 1 bzw. Art. 27 Abs. 2 S. 1) und strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen (Art. 3 Abs. S. 2 bzw. Art. 27 Abs. 2 S. 2). Die Freizügigkeitsrichtlinie kodifiziert nun darüberhinausgehend in großen Teilen die langjährige Rechtsprechung des I.
doi:10.5771/0531-2485-2015-5-641 fatcat:ibl6o67hevg4zja7c27pio2ixa