Expansion und Differenzierung der Berufsbildung in der Schweiz (1960-2010)
Philipp Gonon, Lea Hägi
2019
Bis in die 1990er Jahre wurde die schweizerische Berufsbildung als eine Ausbildungsform gesehen, die auf einer starken Abgrenzung von den allgemeinbildenden Bildungsangeboten beruhte, wenig Anschlussmöglichkeiten auf Hochschulstufe bot und damit auch für bestimmte technische und akademische Berufe einen Mangel an Fachkräften verursachte. Darauf verweisen verschiedene Beiträge zur Geschichte der schweizerischen Berufsbildung (beispielsweise Gonon 1994 , Criblez 2002 , Späni 2008 ) als auch
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... , welche anlässlich der ersten OECD-Berichterstattung zur "Bildungspolitik in der Schweiz" zur Sprache kamen (vgl. EDK 1990a). Allgemein wurde die Berufsbildung aus ihrem Entstehungszusammenhang heraus als Teil des Wirtschafts-und weniger als Bestandteil des Bildungssystems aufgefasst (vgl. Wettstein/Gonon 2009). Heute sind die beiden Bildungspfade hingegen eng miteinander verknüpft. Mit diesem Beitrag soll nun der Frage nachgegangen werden, wie es in den vergangenen Dekaden gelang, die Berufsbildung als integralen Bestandteil des Bildungssystems zu konfigurieren, sie in den 'Bildungsraum Schweiz' einzubetten und damit auch die Akzeptanz und Legitimität der beruflichen Bildung zu erhöhen. Empirische Basis dieses Beitrages sind Daten, die im Rahmen eines vom Schweizer Nationalfonds geförderten Forschungsprojekts erhoben und sowohl quantitativ beschreibend als auch qualitativ ausgewertet wurden. Im Vordergrund stehen zwei Erneuerungs-und Modernisierungsphasen der Schweizerischen Berufsbildung, welche zu einem integralen Bildungssystem beigetragen haben. Die erste expansive Phase in den 1960er Jahren umfasst die Schaffung neuer Bildungsinstitutionen und -angebote, eine 'Pädagogisierung' der beruflichen Bildung und damit verbunden eine verbesserte Zugänglichkeit für eine breite Bevölkerungsschicht. Die zweite systemdifferenzierende Phase in den 1990er Jahren ist als Erneuerung durch Anschlussfähigkeit und Differenzierung beschreibbar. Neue Bildungstitel und die Neupositionierung bestehender Bildungsinstitutionen diversifizieren die berufliche Bildung und schaffen Übergänge, die außerdem eine durchlässige Gestaltung allgemeinbildender und berufsbezogener Bildungswege mit Anschlüssen in den Hochschulbereich ermöglichen.
doi:10.5167/uzh-182604
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