Kranksein - eine Gnade?

Jean-Pierre Batut
2022
Der Christ und die Gesundheit Einen Dieb fürchte ich nicht... ich sehe ihn ja schon von weitem und würde mich hüten, «Haltet den Dieb!» zu rufen. Im Gegenteil, ich würde ihm zurufen: «Hier entlang, hier entlang!» Hl. Thérèse vom Kinde Jesu «Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken [...]. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten» (Mt 9, 12f ). Das sind klare Worte: wenn wir ihn also anrufen wollen, obwohl wir uns bei bester Gesundheit glauben, ist das
more » ... n Widerspruch. Denn er kommt zu den Menschen ja ausdrücklich als «Arzt» (iatros). Dann wäre der für die Pharisäer bestimmte Halbsatz ohne Umschweife auch an uns gerichtet: «Für euch bin ich nicht gekommen!» Will man Jesus in sein Leben einlassen und von ihm angerufen sein, so geht das nicht ohne das persönliche Eingeständnis, selbst krank und bedürftig zu sein. Das Diktum Jules Romains, wonach die vermeintlich Gesunden eigentlich unbewusst Kranke seien, hat mehr Ernst, als es zunächst scheint. Es konfrontiert uns mit der Tragik des menschlichen Lebens, das ein anderer Humorist, Woody Allen, recht lapidar als eine «durch sexuellen Kontakt übertragene, tödliche Krankheit» beschrieben hat. Kranksein ist eine ernste Angelegenheit, jedoch nicht nur durch die Schwere einer Erkrankung, sondern letztlich, weil es unausweichlich die Zerbrechlichkeit und Kürze unseres Lebens vor Augen stellt. Dadurch zwingt es uns, Stellung zu beziehen vor ihm, der das Leben ist: «Die Ärzte werden dich nicht heilen können, denn am Ende musst du unausweichlich sterben. Ich hingegen bin es, der dich gesund und deinen Leib unsterblich macht» 1 . In diesen Worten, die Blaise Pascal hier Jesus in den Mund legt,
doi:10.57975/ikaz.v43i5.6132 fatcat:huwa7z46vnewdg2n5kbjqika6q