KatastroGraphien. Zur Verknüpfung von städtischer und menschlicher Katastrophe in Spike Lees 25th Hour
Silke Roesler, Mediarep.Org, Daniela Wentz, André Wendler
2020
Fragen nach der Bedeutung von Stadtdarstellungen in und durch Medien werden aktuell unter dem Schlagwort des ›topographical turn‹ 1 verhandelt und lassen sich dabei neu stellen: [N]icht als Frage, ob die Bilder, Pläne, Diagramme und Beschreibungen, die wir aus der Stadtgeschichte kennen, der realen Stadt entsprechen, noch als Frage, ob die überlieferten Topographien eher Repräsentationen des räumlich-architektonischen Gebildes, der sozialen Ordnung der Städte oder der urbanen Ideen darstellen,
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... ondern als Aufmerksamkeit für das Zusammenspiel von Imaginärem und Techné in der Herstellung von Raumbildern beziehungsweise Topographien. 2 Sigrid Weigel legt im oben genannten Zitat den Fokus bei der Produktion von Raum(bildern) auf die Verknüpfung von »Imaginärem und Techné«, anders ausgedrückt auf die Verbindung von Symbolischem und Materiellem, Psychischem und Physischem. Ähnlich begreift auch der vorliegende Beitrag die Herstellung und das Entstehen von Räumen unter Bezugnahme auf Henri Lefèbvre, 3 wobei in dessen Theorie die Raumgenerierung noch um die dritte Komponente eines gelebten Raumes erweitert wird. Die folgenden Ausführungen orientieren sich dabei an der Annahme, dass ein medial vermitteltes Bild niemals realitätsgetreu ist oder Realität widerspiegelt. Vielmehr wird durch die mediale Überformung ein künstliches Konstrukt -die Stadt als Kunstwerk -neu geschaffen. Als Konsequenz einer ›Philosophie der Dispositive‹ skizziert Gilles Deleuze in Anlehnung an Michel Foucault eine Um-1 Vgl. hierzu Sigrid Weigel: Text und Topographie der Stadt. Symbole, religiöse Rituale und Kulturtechniken in der europäischen Stadtgeschichte. In: Dies.: Literatur als Voraussetzung der Kulturgeschichte. Schauplätze von Shakespeare bis Benjamin. München 2004, S. 248-284. Der ›topographical turn‹ in den Kulturwissenschaften und Cultural Studies markiert eine Wende von historischen, chronologischen und zeitlichen Narrativen zu räumlichen Darstellungen und zu den Paradigmen von Mapping, von Topographie, Kartographie und Geographie. Ebenso wie im Textparadigma (linguistic turn) lässt sich auch hier eine Tendenz zum metaphorischen Einsatz topographischer Begriffe beobachten. Damit stellt sich das Verhältnis von Stadtdiskurs und Kulturwissenschaft nach Sigrid Weigel heute als eine chiastische Konfiguration dar: »Während die Topographie der Stadt als kultureller Text gelesen wird, wird der Text der Kultur als Topographie gedeutet« (ebd., S. 255). Um diese Konstellation gegenseitiger metaphorischer Verweisungen und Übertragungen aufzubrechen, ist es notwendig, die Topographie zunächst als eine der wichtigsten Kulturtechniken in der Geschichte von Stadtplanung und -darstellung zu betrachten. 2 Ebd. 3 Vgl. Henri Lefèbvre: The Production of Space. Cambridge MA/Oxford UK 2005 [1991].
doi:10.25969/mediarep/14515
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