Empathisierer und Systematisierer im Vorschulalter. Eine Fragebogen- und Videostudie zur Motivation, sich mit Naturphänomenen zu beschäftigen [book]

Nina Skorsetz
2019 unpublished
Menschen sind unterschiedlich stark motiviert, sich mit Naturwissenschaften zu beschäftigen (vgl. Glynn & Koballa, 2006). Motivation wird dabei als wichtig für den Lernprozess angesehen (vgl. Spinath & Spinath, 2005). Oft wird der Geschlechterunterschied als Erklärungsansatz für unterschiedliche Motivation genutzt. Die ausschlaggebenden Ursachen für die unterschiedliche Motivation können Aufschluss darüber geben, wie man Lernangebote künftig besser auf die individuellen Bedürfnisse des
more » ... abstimmen kann. Ziel dieser Studie ist esunter der Prämisse, allen Motivation für Naturwissenschaftliches zu ermöglichendie Unterschiede ebendieser Motivation von Vorschulkindern bei der Teilnahme an Lernumgebungen anzuschauen, die sich mit einem naturwissenschaftlichen Phänomen beschäftigen. Dazu werden die Erkenntnisse der Empathisierer-Systematisierer-Theorie von Baron-Cohen (2004) genutzt. Diese besagt, dass das Gehirn jedes Menschen grundsätzlich zwei Dimensionen zuzuordnen ist. Zum einen dem Empathisieren, das den Drang beschreibt, die Emotionen anderer Menschen zu verstehen, um deren Handeln zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Zum anderen das Systematisieren, das als der Drang beschrieben wird, die Strukturen, Ordnungen bzw. Systeme hinter den Dingen zu verstehen, um diese voraussagen zu können. Der Grad beider Ausprägungen wird mithilfe eines Fragebogens ermittelt und in den so genannten EQ-und SQ-Werten festgehalten. Empirische Ergebnisse zeigten, dass Jugendliche mit hohem Systematisierer-Anteil, sich eher für ein naturwissenschaftliches Studium entscheiden als junge Erwachsene mit einem hohem Empathisierer-Anteil (vgl. Zeyer et al., 2012). Im Rahmen dieser Studie wurden Eltern über ihre Kinder im Vorschulalter mit einem eigens für diesen Zweck ins Deutsche übersetzten Fragebogens (vgl. Auyeung et al., 2009) befragt und auf Grundlage dessen, die Ausprägungen beider Dimensionen individuell ermittelt. Die getesteten Kinder nahmen in ihrem letzten Kindergartenhalbjahr an einer Lernumgebung zum Phänomen "Saugfähigkeit von Materialien" teil, was per Video festgehalten wurde. Die Datenerhebung erfolgte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit unterschiedlichen Stichproben, so dass zwei verschiedene Lernumgebungen erprobt und videographiert werden konnten. Die beiden Lernumgebungen unterschieden sich in einem Oberflächenmerkmaldem Grad der Strukturierung. Die erste Lernumgebung war eher strukturiertangeleitet, die zweite eher explorierend-narrativ angelegt. Da innerhalb dieser Studie nur Zusammenfassung einzelne Aspekte ausgewertet werden konnten, die Rückschlüsse auf kurzzeitige Motivation zulassen, sollte die Fokussierung der Kinder auf die Lernumgebung bzw. die enthaltenen Materialien untersucht werden. Ausgewertet wurden die Dauer der Blickrichtungen, die die Kinder einnehmen, die Häufigkeit des Blickfokuswechsels zwischen den Blickrichtungen sowie die Häufigkeit der Materialkontakte und -benennungen durch die Kinder. Die so erhaltenen Daten wurden durch Korrelation mit den Fragebogenergebnissen in Beziehung gesetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder mit einem großen Systematisierer-Anteil in beiden Lernumgebungen fokussiert auf die Sache zu sein scheinen. Kinder mit hohem Empathisierer-Anteil zeigen dieses Verhalten nicht. Zusammenhänge zwischen dem Geschlecht eines Kindes und der Fokussierung auf die Lernumgebung lassen sichwie in der Literatur beschrieben (vgl. Billington et al., 2007)nicht feststellen. Insgesamt scheinen alle Kinder in der eher explorierend-narrativen Lernumgebung fokussierter und damit eventuell motivierter für die Beschäftigung mit Naturphänomenen.
doi:10.30819/4825 fatcat:fluon5a2p5fprlzbnae4kc5yoq