Die unsichtbare Hand schütteln – Tausch und Zirkulation in ungeplanten Strukturen

Renate Wieser, Mediarep, Philipps Universität Marburg, Maik Bierwirth, Oliver Leistert, Renate Wieser
2019
Dass eine Struktur ungeplant entsteht, ist zunächst eine recht gewöhnliche Angelegenheit. In der Maserung eines Holzes zeichnen sich die verschiedenen Einflüsse auf den Wachstumsprozess ab, die auch das Aussehen des ganzen Baumes bedingen. Der Regen strukturiert eine Oberfläche, Regelmäßigkeiten werden unterscheidbar. Es bleibt dabei allerdings ambivalent, von ungeplanten Strukturen zu sprechen, denn sobald die ersten Bahnungen entstanden sind, gibt es ohnehin keine Möglichkeit, hinter diese
more » ... ückzufallen. Wie in einem Palimpsest werden vorangegangene Einschreibungen vielleicht überschrieben, ungeschehen werden sie damit nicht gemacht. Womöglich folgen ungeplante Strukturen also durchaus einem Plan, den sie aber gleichzeitig entstehen lassen. Auch hängt stark von der Lesart ab, was als Plan zählt, wie etwa bei Wahrsagern, die das Deuten ungeplanter Strukturen zu ihrem Metier erklären, um beispielsweise in der Musterung des Kaffeesatzes die Zukunft zu erkennen. Die Erforschung ungeplanter Strukturen bringt so immer ihre metaphysischen Tücken mit sich. Die Aufsätze dieses Bandes zeigen an verschiedenen Beispielen auf, wie sich sozioökonomische und -kulturelle Strukturierungen beschreiben lassen. Es geht um Werte, Bewertungen und Wertschätzungen, die nicht als gegeben verstanden werden können, da sie sich durch Tausch-und Verhandlungsprozesse generieren. Wie aber lassen sich Strukturen erforschen, die aus einzelnem intersubjektivem Austausch entstehen? Wenn sich Beziehungsgefüge bilden, dann greifen unterschiedliche Begehren ineinander, gegenseitige Abhängigkeiten motivieren das Aushandeln des einzelnen Verhaltens, Verhandlungserfolge werden bekannt, wiederholen sich, prägen sich ein und werden benennbar. Genau in diesem langsamen Einprägen der Strukturen kommen Automatismen zum Tragen: Wiederholungen, die zwangsläufig und hinter dem Rücken der Beteiligten geschehen, aber auch immer als neu und speziell gehandhabt werden müssen, denn verhandeln lässt sich nur ergebnisoffen, zumindest dem Anschein nach. Vorweg möchte ich zwei theoretische Grundkonzepte vorstellen, die beim Thema Austausch und Verhandlung nicht vergessen werden sollten. Um den Hintergrund zu skizzieren, auf dem verhandlungsgenerierte Strukturentstehungen denkbar werden können, möchte ich im Folgenden die unsichtbare Hand des Marktes bei Adam Smith und die Gabe bei Marcel Mauss in Beziehung setzen. Aus einigen der dabei zu findenden basalen Konzepte sollen Gemein-
doi:10.25969/mediarep/3883 fatcat:z2gdx5kyqfhgllibx2efwsgb5m