Das zerbrochene Gefäß - Die Mythen der Chassidim und Isaac Bashevis Singers Erzählungen [chapter]

Hans [Hrsg.] Weder
2015
Die Mythen der Chassidim und Isaac Bashevis Singers Erzählungen Die Tradition ist wie ein Gefäß, sie kann zerbrechen. Je heftiger die Krisis, desto wüster der Scherbenhaufen. Wir vermeiden angesichts der Scherben den Begriff der Tradition und reden von der Geschichte, die aus den vor uns liegenden Bruchstücken zusammenzusetzen ist. Von solcher Gebrechlichkeit sind auch Religion und Literatur. Die Scherben dieser Traditionen der Traditionen Scherben, die eine viel leicht tumultuarisch beendete
more » ... oche der nachfolgenden hinterläßt können gewiß niemals so zusammengefügt werden, daß eine reine Duplik des Alten entsteht. Das neue Gefäß mag dem alten noch so ähnlich sehen, unverkennbare Unterschiede bezeichnen eine neue Gestalt. Was für eine ganze Tradition gilt, das gilt auch für die Einzelfor men, in denen sie weitergegeben wird. Gleichnis und Parabel waren ursprünglich Formen mündlicher Tradierung. Erbauliche, moralische und andere Lehrer betrachteten sie wie hauseigene didaktische Gehil fen. Ihr Hang zum Mythischen gab ihnen den Rang erzählend darge brachter Prinzipien. Hinzu kamen Autorität und Charisma des Er zählers, die der Rede nicht nur die Stimme, sondern auch den Zauber der Überredung verliehen. Unter den Bedingungen einer entwickel ten Schrift und Medienkultur jedoch sind Zauber und Charisma im Wert gesunken. Wenn Jesus seine Lehren vor den Gläubigen in Gleichnissen und Parabeln erläuterte, so entsprach das einer von Mündlichkeit gepräg
doi:10.11588/heidok.00018636 fatcat:ympqfz2b5vayli6dm2xdjwpvbm