Motivation & Begabungs-Förderung
Robert Müller, Sir-Karl-Popper-Schule, ).-\"
unpublished
Während Motivation ein unbestritten positiv belegter Begriff ist, gilt dies für Begabungsförderung, insbesondere die Förderung Hochbegabter, nur bedingt und auch hier erst in allerletzter Zeit. Anhand meiner Arbeit als Autor und Lehrer in den letzten Jahren möchte ich über meine ganz persönliche Sichtweise zu diesem Thema vortragen. Der Bogen spannt sich dabei von einer (selbst-)kritischen Analyse der Situation über Erfahrungen aus der Schule bis hin zu Vorschlägen und Tipps für Ihren konkreten
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... Unterricht. Warum dieses Thema? Zum einen ist es (wie "Schule" ganz allgemein) -neben Latein -ein in den Medien immer wieder breit aufgegriffenes Thema. Und hier ist es immer wieder auch die Sir-Karl-Popper-Schule, die im Rampenlicht der Medien steht, obwohl es etliche andere Initiativen in diese Richtung gibt. Stellvertretend für viele andere Artikel zur Popperschule mit öffentlicher Breitenwirkung sei auf die Artikel "Gute Noten kein Beweis für hohe Begabung" in der Zeitung "Standard" vom 17. Jänner 2002 oder "Wir sind keine Streber" aus der Sonntagsbeilage der Kronenzeitung vom 10. Dez. 2000 oder "Hochbegabtenförderung nicht nur im 'Biotop'" in der Zeitung "Die Presse" vom 23. Jänner 2002 verwiesen. Dort werden Erkenntnisse(?) wie "Wirklich gute Lehrer suchen die Fehler bei sich", Behauptungen wie "Das Pflichtfach 'KoSo' erfreut sich besonderer Beliebtheit bei den Schülern" oder Zielvorgaben "Sozialprojekte aller Art sind für die Schüler ein Muss. Eine Regel, die auch für normale Schulen wünschenswert wäre" unters Volk gebracht. Was in diesen Artikeln (größtenteils korrekt) über die Intentionen der Popperschule berichtet wird, hat Alfred Schirlbauer bereits als die gerade moderne "Transformation der Schule zu einer sozialpädagogischen Einrichtung" [L3, S. 13] vorweggenommen. Er schreibt: "Diagnostizierbar ist dieser Vorgang meines Erachtens an einer Vielzahl von Reformvorstößen, welche sich weitgehend 'reform pädagogischen , Intentionen der Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts verdanken: Offenes Lernen und Freiarbeit, Projektarbeit und fächerübergreifendes Lernen, Ganzheitskonzepte und Gesamtunterricht, kritische Diskussion der Ziffernnoten bis hin zu Vorstößen, die Ziffernnoten zugunsten ganzheitlich-verbaler Persönlichkeitsbeurteilungen überhaupt zu suspendieren. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis unterliegt demgemäß weitgehenden Veränderungen: Die fachliche Autorität und Kompetenz der Lehrer hat sich im Hintergrund zu halten, anvisiert ist der Lehrer als Animateur selbstständiger Schüleraktivitäten, als Fazilitator sozialer Prozesse, als Therapeut gestörter Kinderpersönlichkeiten, jedenfalls als Pädagoge, der die 'ganze' Persönlichkeit des Kindes im Auge hat und für deren ganzheitliche Entwicklung Sorge trägt," Aber ist diese von Schirlbauer festgestellte "penetrante Sozialisation" [L3, S. 40f] und der "pädagogische Zeitgeist" [L3, S. 71f] (schon) "Begabungsförderung"? -75 -Der Namenspatron der Schule, Karl Popper, hat warnend festgestellt [L2, S. 256]: "Nur eines bin ich bereit zuzugeben: dass wir dümmer sind als je zuvor und unkritisch dem gegenüber, was zu glauben gerade modern ist. Aber das wird nie gerne gehört und sicher auch nicht geglaubt". Genauer führt er dazu aus [L2, S. 274]: "Nach Russell sind wir zu gescheit, aber moralisch sind wir zu schl~cht.. Russells Ansicht wird von vielen geteilt, auch von vielen Zynikern. Ich glaube das genaue Gegenteil. Ich glaube, dass wir zu gut sind und zu dumm. Wir werden zu leicht von Theorien beeindruckt, die direkt oder indirekt an unsere Moral appellieren, und wir stehen diesen Theorien nicht hinreichend kritisch gegenüber; wir sind ihnen intellektuell nicht gewachsen und werden ihre gutwilligen und opferbereiten Opfer." . Im besten Sinne Poppers rufen Zeitungsberichte wie die obigen mit ihren (nicht weiter belegten) subjektiven Wertungen und plakativen Forderungen daher Diskussionsbeiträge (wie diesen Vortrag) wie auch Gegenstimmen auf den Platz, wie z.B. den Leserbrief "Über das Denken von Sir Karl Popper" in der Zeitung "Die Presse" vom 9. Februar 2002: "Gerichtet an die Sozial ingenieure unter den Lehrern an der Sir-Karl-Popper-Schule" meint dort Mag. Josef Stargl mit ausdrücklichem Bezug auf das an der Popperschule neu eingeführte Pflichtfach KoSo (=Kommunikation und Sozialkompetenz): "Sir Karl Popper, der konstruktivistisch-technomorphe Denkweisen abgelehnt hat, dreht sich im Grab um." Allerdings ist eine Diskussion, die die Besonderheiten dieses "Biotops" vergessend allzu abstrakt geführt wird, ebenso irrelevant wie eine, die sich den untergeordneten Stellschrauben des Schulalltags widmet. Um es deutlicher auszusprechen: Man kann leicht für oder auch gegen "Sozial projekte" sein, solange nicht klar ist, was man darunter versteht bzw. verstehen will. Ebenso ist die Frage, ob man Kurse oder Labors mit nur 80, 70 oder (wie schon gefordert) sogar 60 Prozent Anwesenheit dennoch als voll absolviert angerechnet erhält, eine, die von den wirklich wesentlichen Fragen ablenkt: Nämlich ob dieses seit Jahrzehnten in Deutschland bzw. den USA praktizierte Kurs-und Laborsystem und die in den westlichen Bildungssystemen zunehmende "zwangstägige" Überantwortung des "Erziehungsauftrages" der Eltern an die (kompetentere?) "neue Priesterschaft" der Psychologen einen sinnvolle(re)n Ansatz darstellen. Ob sich überhaupt die Qualität des "Unterrichts" über die (bloße) Änderung von Organisationsformen, die "Human kompetenz" der heranwachsenden Jugend durch Einführung eines neuen Pflichtfaches "KoSo" (wesentlich) steigern lässt. (Meine persönlichen Erfahrungen damit und der immer wieder strapazierte Vergleich mit der Wirtschaft lassen mich daran zweifeln.) Oder ob nicht -wie prinzipielle Gegner dieses Projekts (zu denen ich mich nicht zähle) behauptender Zweck der ganzen Übung der sei, über die Hintertür dieses Schulversuches politisch umstrittene Maßnahmen wie die Einführung der Ganztagsschule, von heruntertransformierten universitären Betriebsformen, sprich: abwählbaren(!) "Kursen", von Schulgeld und von Aufnahmeverfahren (deren Validität in Zweifel gezogen werden darf) im Regelschulsystem durchzusetzen. Als Indiz wird ins Treffen geführt, dass die Popperschule nicht als spezifisch für Hochbegabte geschaffene "Sonderform" (der Begriff "Eliteschule" wird möglichst vermieden) installiert wurde, sondern als AHS-Oberstufen-Schulversuch. Sie hat damit primär den Auftrag "Neuerungen" auszuprobieren und auf die Tauglichkeit für das Regelschulwesen zu testen. Und hier liegt der springende Punkt. Da Schulversuche (von Gesetzes wegen) zeitlich limitiert sind, hängt das "Überleben" dieser Form von -meines Erachtens ehr/ich gemeinter(!) -Begabungsförderung von ihrer "Übernahme" in das Regelschulsystem ab (womit allerdings wieder ihre Spezifität verloren ginge). Darf man da etwas anderes erwarten als Berichte über ihre "erfolgreiche" Erprobung im "Biotop" oder in den Vorbild(?) gebenden Schulen und Unterrichtssystemen in Deutschland und den USA. Jedenfalls zeigen internationale Studien (TIMSS.ipq) Deutschland und die USA ganz weit unten. Daraus ergibt sich also kein Hinweis auf eine besser organisierte "Schule" und damit Handlungsbedarf für das "Kopieren" dieser Bildungssysteme. Andererseits hat Österreich Uedenfalls bei TIMSS) ersichtlich auch nicht besser abgeschnitten, sodass durchaus Handlungsbedarf besteht -aber wahrscheinlich vor allem ein anderer. Lassen Sie mich meinen Standpunkt in Anlehnung an einen Zeitungsartikel des ehemaligen amtsführenden Stadtschulratspräsidenten Dr. Scholz kurz und plakativ so formulieren: Aus den Studien hat sich keine klare Präferenz für eine bestimmte Organisationsform von Schule ergeben. Viel wesentlicher ist offenbar die Motivation, fachliche Qualität und Persönlichkeit der lehrer sowie die Motivation und Begabung der Schüler -womit ich beim eigentlichen Thema meines Vortrags angelangt bin. Warum rede gerade ich über dieses Thema? Nicht deswegen, weil ich nun seit eineinhalb Jahren an der Sir-Karl-Popper-Schule unterrichte und die dort praktizierte Begabtenförderung "von innen her" kenne, ihre (aus meinem Blickwinkel wahrge--76nommenen) "Stärken" und "Schwächen". Mein Wirken an dieser Schule ist nur der Anlass, nicht der Grund -schon auch deswegen, weil ich die Schule mit Ende dieses Schuljahres wieder verlassen werde. Der eigentliche Grund ist meine Tätigkeit als Autor und die damit verbundene Mitverantwortung für den konkreten Unterricht. Denn noch immer sind die Lehrbücher der "heimliche Lehrplan". und nehmen maßgeblich auf das Unterrichtsgeschehen Einfluß. Insofern ist dieser Vortrag auch ein Teil meiner Antwort auf TIMSS und PISA. Abgesehen von meiner Einleitung, die Sie zum Mitdenken und Mitdiskutieren über die Zukunft unseres Schulsystems als einer der zentralen Institutionen unserer Gesellschaft ermuntern soll, will ich mich dabei in ganz pragmatischer Weise dem widmen, was jeder von Ihnen "an der Front" für die Motivation und Begabtenförderung tun könnte und dies mit Erfahrungen und Beispielen aus meinem Wirken als Lehrer und Autor würzen. Quellen für Motivation' Was ist Motivation? Wohl der Anreiz, irgend etwas zu tun. Umgekehrt ist Demotivation der Anreiz, etwas nicht zu tun -nicht nur es zu lassen. Dies gilt gleichermaßen für Schüler wie Lehrer (sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule). Motivation ist also untrennbar mit Tätigkeit verbunden. Tätigkeit wiederum erfordert (und fördert damit) Fähigkeiten, (entdeckt und) weckt Begabungen und hilft sie zu entwickeln. Motivation und Begabungsförderung sind eben siamesische Zwillinge.
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