Nicht mehr "männlich und weiblich" (Gen 1,27) : die Rede von der Aufhebung der Geschlechterdifferenz im frühen Christentum [article]

Silke Petersen, Universitaet Tuebingen
2022
Bei der Formulierung meiner Überschrift: "Nicht mehr ,männlich und weib lich1" lässt sich sogleich Gal 3,28 assoziieren, wo Paulus vom Einswerden in Christus redet sowie von der Aufhebung von Unterschieden, wobei er auch die Differenz von "männlich und weiblich" in Aufnahme der Formulierung aus dem ersten Schöpfungsbericht nennt. Ich möchte jedoch nicht mit einer Analyse von Gal 3,28 beginnen, sondern mit drei verwandten Formulierungen aus späteren Texten. Damit nähere ich mich meinem Thema von
more » ... zeitlich spä teren Quellen ausgehend an; ich gehe von diesen zurück über Gal 3,28 bis zu Gen 1,27, wechsle dort die Richtung und bewege mich anschließend wieder vorwärts durch die Zeiten. Diese Anordnung hat einen inhaltlichen Grund: Zu Beginn stehen solche Re zeptionen des Motivs der Aufhebung der Geschlechterdifferenz, die ich "so ziale" nennen möchtemöglicherweise könnte man auch "politische" sagen. Es handelt sich hier um Texte, in denen das soziale, zwischenmenschliche Zu sammenleben thematisiert und tangiert wird. In einem zweiten Schritt werde ich mich dagegen mit eher "ontologisch" geprägten Rezeptionen des Themas auseinandersetzen. Ontologischund nicht lediglich anthropologischnenne ich die Texte deshalb, weil in ihnen nicht nur die menschliche Natur, sondern auch das Wesen der Schöpfung (und sogar auch Gottes) verhandelt wird. Gal 3,28 lässt sich in beiden Rezeptionslinien verorten; jene christliche Ausle gung, die sich dann sukzessive durchsetzte, hat jedoch der "ontologischen" Rezeption den Vorzug gegeben. Diese ontologische Ausgestaltung des Mo tivs -so meine im Folgenden zu entfaltende Theseging dabei weithin auf Kosten der sozialen und hierarchiekritischen Möglichkeiten des Themas.
doi:10.15496/publikation-67331 fatcat:u5gns762wffrpjxdjo4q4bdmde