Zustand und Zukunft der liberalen Demokratie
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Linda Teuteberg
2021
Fragil – Stabil?
Zustand und Zukunft der liberalen Demokratie Ich habe meinem Vortrag ganz bewusst die Überschrift »Zustand und Zukunft der liberalen Demokratie« gegeben. Ich will einige Anmerkungen dazu machen, wo Probleme und Spannungsfelder in unserer liberalen Demokratie liegen und was diese ausmacht. Woran muss man möglicherweise erinnern, um sie wieder zu stärken? Denn die Veröffentlichungen, die Unkenrufe, die Diskussionen rund um die Namen bzw. Stichworte Orbán, Trump, Ende der Demokratie und Populismus
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... sind Legion. Wem es wirklich um die liberale Demokratie geht, der muss aufpassen, dass sich einerseits Krisendiskussionen nicht verselbstständigen und dass andererseits auch im Zuge berechtigter Kritik die Demokratie nicht schlechter geredet wird als sie ist. Denn manchmal können sich Zustandsbeschreibungen auch verfestigen, eine eigene Dynamik entfalten und so zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Selbst dann, wenn sie in der Sache gar nicht zutreffen. Deshalb sind wir gefordert, kritisch zu benennen, wo es Fehlentwicklungen und Schwierigkeiten gibt und zugleich immer wieder dafür Sorge zu tragen, dabei nicht die Demokratie an sich zu diskreditieren. Wir müssen zudem schauen, wo wir Grundsätze der Demokratie wieder neu beleben oder neu definieren müssen. Maßgeblich hierfür ist die der Demokratie zugrunde liegende Tradition der Aufklärung -zum Beispiel das Gleichheitspostulat: Dass grundsätzlich alle Menschen vor dem Gesetz gleich und freiheits-sowie vernunftbegabt sind. Alle Menschen besitzen jene Urteilskraft, die Hannah Arendt so wichtig war und wovon alles ausgeht. Das bedeutet zugleich, dass diese liberale Tradition aus Anerkennung von Menschen-sowie Bürgerrechten und Vernunftbegabung jedes Menschen voller Widersprüche ist. Das ist nicht schlecht, macht die Sache indes umso anspruchsvoller. Zudem möchte ich eine Sache feststellen, die für den einen befremdlich klingen mag, für den anderen vielleicht selbstverständlich ist. Nach meiner Beobachtung ist sie das aber nicht. Für unsere Demokratie ist es ganz wichtig, das Politische an sich als grundlegende Kategorie anzuerkennen. Es ist kein Zufall, dass Max Weber im Jahr 1919 seine Schrift bzw. seinen Vortrag »Politik als Beruf« gehalten hat. Das waren die Anfänge der Weimarer Republik, das Kaiserreich war abgelöst worden und
doi:10.5771/9783748931294-81
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