SprachBrückenBauen [book]

Gisella Ferraresi, Sarah Liebner
2014 Materialien Deutsch als Fremdsprache - fadaf  
Vorwort Vom 21. bis 23. März 2013 fand an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg die 40. Jahrestagung des Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache statt. Die Tagung wurde vom Verband und von der Professur für Deutsche Sprachwissenschaft / Deutsch als Fremdsprache (Prof. Dr. Gisella Ferraresi) unter der Leitung von Sarah Liebner als Projektmanagerin ausgerichtet. Das Motto SprachBrückenBauen zog sich wie ein roter Faden durch das Fachprogramm der Jubiläumsveranstaltung: Im Themenschwerpunkt (1)
more » ... de das didaktische Konzept der Language Awareness behandelt, also die Entwicklung von Sprachbewusstsein als Brücke zur eigenen Sprache bzw. zu einer Zweit-oder Fremdsprache. Der Themenschwerpunkt (2) Offenheit und Steuerung im DaF-/DaZ-Unterricht befasste sich mit zwei Pfeilern des Sprachunterrichts, die im Laufe der Didaktik-Geschichte immer wieder unterschiedlich stark akzentuiert wurden. Im modernen Zweit-und Fremdsprachenunterricht werden beide Seiten miteinander verbunden, zum einen durch die Förderung des selbstgesteuerten Lerners, zum anderen durch die starke Einbindung 'vorprogrammierter' Unterrichtskonzepte mithilfe digitaler Medien. Im Themenschwerpunkt (3) Fach-und berufsbezogene Kommunikation stand die Überwindung von Sprachbarrieren als Voraussetzung für fachliche und berufliche Handlungskompetenz im Fokus, der angesichts zunehmend komplexer Arbeitsabläufe und vielseitiger Formen der Zusammenarbeit eine immer größere Bedeutung zukommt. Ähnliche, auf den Wissenschaftsbereich bezogene Aspekte wurden im Themenschwerpunkt (4) Wissenschaftssprache und sprachliche Studierfähigkeit diskutiert. Hier wurde die Rolle der Sprache als Zugang -oder Brücke -zu einer fremden Wissenschaftskultur thematisiert. Diese vier themenbezogenen Arbeitssektionen wurden optimal von drei Plenarvorträgen umrahmt: Am Donnerstag, dem 21. März 2013 boten Dr. Gisela Schneider (DAAD) und Dr. Heike Uhlig (Goethe-Institut) mit ihrem Eröffnungsvortrag zu Deutsch in der Welt -Stand der Dinge und Perspektiven einen stimmigen Ein-Vorwort 2 Themenschwerpunkt 1 Language Awareness Sektionsbericht Koordination: Inger Petersen & Albert Raasch Die Geschichte des Language-Awareness-Ansatzes (hier als Synonym zu Sprachbewusstheit) geht bis in die 70er-Jahre zurück, ist aber auch heutzutage noch ein wichtiges sprachdidaktisches Konzept. Allerdings wirft das Konzept auch viele Fragen auf: Lernt man Sprache besser, erfolgreicher, schneller mit Hilfe von Language Awareness/Sprachbewusstheit? Was muss man bedenken, wenn man diese Frage beantworten will? Z.B. das Alter der Lernenden, den Lerngegenstand, das Lernziel, die Lernvoraussetzungen, die vorhandenen Lernerfahrungen? Gelten diese Antworten sowohl für die Erstsprache, die Zweitsprache, die Fremdsprache? Ist Sprachbewusstheit ein durchgängiges Lernprinzip oder auf bestimmte Phasen beschränkt? Und wie wird dieser Lernrhythmus dann organisiert? Viele weitere Fragen ergeben sich bei näherem Hinsehen: Wird die Meta-Ebene im Lernprozess versprachlicht, und, wenn ja, in welcher Sprache? Bezieht sich Sprachbewusstheit auf die Sprache als solche oder (auch) auf den Sprachlernprozess, den Sprachlehrprozess, den Sprach-Lehr-/Lernprozess? Die Förderung des Sprachbewusstseins im Unterricht ist nicht unbedingt an das Erlernen und die Vermittlung sprachlicher Kompetenzen gebunden, sondern kann zu eigenständigen Lernzielen führen; sie steht damit in einem Zusammenhang mit Lernen schlechthin, soweit Sprache im Lernprozess integriert ist, gleichgültig in welchem fachlichen Rahmen und im Zusammenhang mit welchen Lerninhalten. Nach Luchtenberg sollen mit Language Awareness "ein höheres Interesse an und eine größere Sensibilisierung für Sprache, Sprachen, sprachliche Phänomene und den Umgang mit Sprache und Sprachen geweckt bzw. die vorhandenen meta-Sektionsbericht TSP 1 8 linguistischen Fähigkeiten und Interessen vertieft" werden (Luchtenberg 2010: 107). Die Entwicklung von Sprachbewusstheit ist ein grundlegendes Ziel des Deutschunterrichts. Doch auch in den DaF-und DaZ-Unterricht bzw. allgemein in den Fremdsprachenunterricht für alle Altersstufen hat das Konzept Eingang gefunden, zumal letzterer immer im Kontext der Mehrsprachigkeit -zumindest vor dem Hintergrund der Erstsprache -stattfindet. Bezogen auf die Mehrsprachigkeit schulischer Lerngruppen beinhaltet Language Awareness zudem die Forderung, dass ein sprachbewusster Fachunterricht in den Fokus der Überlegungen treten muss, um allen Schülerinnen und Schülern die Teilhabe an schulischer, beruflicher und damit gesellschaftlicher Aktivität zu ermöglichen. Unter Sprachbewusstheit (Language awareness) subsumiert man heute i.a.R. auch die Sprachlernbewusstheit (Language learning awareness), obgleich eine terminologische Trennung sinnvoll erschiene. Der Ansatz der Sprachbewusstheit hat seine Wurzeln einerseits im kognitiven Beschreibungsmodell des Lernens, andererseits versteht er sich im Zusammenhang eines lernerorientierten, d.h. emanzipatorischen und daher letztlich politischen Konzepts des Lehrens und Lernens und ist daher als Ergänzung oder Alternative zur kommunikativen Wende zu verstehen. Der Frage, wie man die Prinzipien des Language-Awareness-Ansatzes in die Praxis umsetzen kann und wie Sprachbewusstheit für das fachliche und sprachliche Lernen fruchtbar gemacht werden kann, waren die Beiträge in diesem Themenschwerpunkt gewidmet. Julia Putsche und Dominique Macaire berichten von einem Forschungsprojekt, in dem die Implementierung der deutsch-französischen Kinderkiste, einer Materialsammlung für die Vermittlung des Französischen bzw. des Deutschen als Fremdsprache im Kindergartenalter, untersucht wird. Mit den Materialien sollen die Kinder sowohl für die deutsche und französische Sprache und Kultur als auch für weitere Sprachen sensibilisiert werden. Die nächsten beiden Beiträge beschäftigen sich mit Aspekten von Sprachbewusstheit im schulischen Kontext. Nicht nur für das sprachliche, sondern auch für das fachliche Lernen spielt Sprachbewusstheit eine große Rolle. Diese Tatsache beleuchten Erkan Gürsoy und Magnus Frank in ihrem Beitrag zur Sprachbewusstheit im Mathematikunterricht. Sie zeigen anhand von Bearbeitungsstrategien zu Textaufgaben von Fünftklässlern, wie wichtig die unterrichtliche Thematisierung mathematisch relevanter Alltagsbegriffe und Grammatikstrukturen für das Verständnis von Textaufgaben ist. Davon profitieren nicht nur, aber insbesondere mehrsprachige Lerngruppen. Auch der Interkomprehensionsansatz, den Sven Oleschko und Helena Olfert in ihrem Beitrag vorstellen, kommt sowohl ein-als auch mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler zugute. Der Autor und die Autorin berichten von einer Studie mit Fünft-und Zehntklässlern, die zeigt, wie diese Schülerinnen und Schüler ihr bereits vorhandenes Sprachwissens zum rezeptiven Erwerb weiterer Sprachen nutzen. In Joachim Schlabachs Beitrag steht schließlich die Sprachbewusstheit von Studierenden im Fokus. Er stellt zwei fachbezogene Sprachkurse im Rahmen des finnischen Wirtschaftsstudiums vor, in denen Sprachbewusstheit in vielfältiger Weise eine Rolle spielt: Sektionsbericht TSP 1 9 Im plurilingualen Fremdsprachenunterricht lässt sich Sprachbewusstheit/ Language awareness einsetzen, um für Sprachenvielfalt und Sprachenähnlichkeiten zu sensibilisieren, um den Transfer zwischen den Sprachen zu trainieren, um Sprachenlern-und Sprachenverwendungsstrategien zu formulieren sowie um das Sprechen über Sprache und Kommunikation einzuüben. (Schlabach, in diesem Band) Die Beiträge dieses Themenschwerpunktes gaben viele interessante Einblicke und Impulse für die Förderung und Nutzung von Language Awareness im Unterricht und regten zu weiterer Reflexion und Forschung an. Literatur Luchtenberg, Sigrid (2010): Language Awareness. In: Ahrenholz, Bernt; Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren (Deutschunterricht in Theorie und Praxis 9), 107-118.
doi:10.17875/gup2014-789 fatcat:njyt733jdrartb7wvc2abxcgmm