PLINIUS' KLAGE UM DIE VERLORENGEGANGENE WÜRDE DES SENATS (3, 2 0; 4, 25) [chapter]

ECKARD LEFÈVRE
Plinius der Jüngere und seine Zeit  
ECKARD LEFÈVRE Plinius ist wie sein Freund Tacitus bis zu einem gewissen Grad ,Republikaner'. 1 Andererseits ist beiden bewußt, daß die politischen Verhältnisse nicht zurückzudrehen sind; 2 Tacitus läßt das beeindruckend in der Galba-Rede des ersten Buchs der Historiae durchklingen. 3 Aber ihre Gesinnung ist die eines Republikaners. Sie bedauern für ihre Person, daß die individuelle Bewährung nicht mehr im Sinn der Vergangenheit möglich ist. cuncta sub unius arbitrio, stellt Plinius fest.4
more » ... ksichtigt man in diesem Zusammenhang Tacitus' Dialogus de oratoribus, der den inneren Verfall der alten Staatsform am Ende ihres Bestehens zeigt, wird man von einer bei beiden Autoren sprechen dürfen. 5 Auf diesem Hintergrund ist es zu verstehen, daß Plinius den Senat als eine jahrhundertealte ehrwürdige Institution verehrt. 6 Wenn dieser auch zu seiner Zeit viele Funktionen eingebüßt hat, erfreut er sich noch immer eines hohen Ansehens. Um so heftiger muß eine so konservative Natur wie Plinius auf jede Beeinträchtigung der althergebrachten Würde reagieren. Vielleicht hängt er dem Gremium auch deshalb in besonderem Maß an, weil er nicht einer senatorischen Familie entstammt und "im Kreise der Führungsschicht Roms ein Homo novus war. Erst durch seinen Onkel und dessen Verhältnis 1 Zur Fragwürdigkeit der kritiklosen Anwendung dieses Begriffs auf Tacitus vgl. KLINGNER (1932) 1965, 526. 2 Den "Prinzipat wirklich abzuschaffen und die Zustände der ciceronischen Zeit wieder einzuführen, daran hat in der damaligen Zeit wohl kein Mensch ernstlich denken können" (KLINGNER [1932] 1965, 519). 3 Hist. 1, 15-16. 4 3, 20, 12. In einer vergleichbaren Situation fühlt sich der späte Cicero. Mit einer ähnlichen Formulierung klagt er Ad Fam. 4, 9, 2: omnia [...] delata ad unum sunt. Nur verabscheut er diesen einen, während Plinius den Alleinherrscher schätzt. 5 Vgl. das Kapitel dieses Titels bei TRISOGLIO 1972, 3-6. 6 Vgl. das Kapitel bei TRISOGLIO 1972, 6-12.
doi:10.1515/9783110959758.189 fatcat:42oyxulizbeurlfemakl3xdbmi