Unter dem Schleier
Tanja Maier, Stefanie Stegmann
2003
Feministische Studien
Unter dem Schleier. Zur Instrumentalisierung von Weiblichkeit: mediale Repräsentationen im »Krieg gegen den Terror« Die USA und ihre Partner begründeten ihre politischen und militärischen Reaktionen auf die Terroranschläge des 11. September von Anfang an nicht nur mit der Selbstverteidigung gegen den Terrorismus, sondern auch mit der Notwendigkeit, die Werte der westlichen Welt verteidigen zu müssen. Mit den Bildern der kollabierenden Twin Towers und den Toten des World Trade Centers konnte die
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... militärische Intervention in Afghanistan als ein Krieg des »Guten gegen das Böse« legitimiert werden. Denn direkte, offensichtliche Gewaltformen gelten als Zeichen für das »Unzivilisierte« und »Primitive«. Mit Hilfe des Dualismus »zivilisierte Gesellschaft« -»unzivilisierte Gesellschaft« charakterisiert der »freie Westen«, was seine angebliche Überlegenheit ausmacht: seine Normen und Werte, den Stand seiner Technik und vieles mehr. Die dominanten politischen Strategien der USA und ihrer europäischen Verbündeten reproduzieren diese Vorstellungen von Zivilisation: Für den Erhalt der Werte der modernen westlichen Welt gelte es mit allen Mitteln zu kämpfen. Daher betonen die am »Krieg gegen den Terror« beteiligten westlichen Nationen fortdauernd, der Krieg würde nicht nur gegen den Terrorismus, sondern unter anderem für die Menschenrechte, insbesondere die Rechte der afghanischen Frauen geführt. Um den Krieg als Kampf gegen das Böse und für die Befreiung der afghanischen Frauen von der islamischen Unterdrückung darzustellen, bedarf es entsprechender medialer Repräsentationen. Den Medien kommt hier die entscheidende Funktion zu, gesellschaftliche Denk-, Wahrnehmungs-und Handlungsmuster auf breiter Ebene zu strukturieren. So wurde in der westlichen Presse eine Vielzahl von Bildern afghanischer Frauen gezeigt, die sich ihres Schleiers entledigt haben. Bilder von den Bombardements US-amerikanischer und britischer Truppen in Afghanistan waren in den Medien dagegen nicht zu sehen. Die Bedeutung und Funktion der medialen Repräsentationen von ver-und entschleierten afghanischen Frauen und deren soziale und politische Funktion im »Krieg gegen den Terror« wird im Folgenden anhand mehrerer Fotografien und Medienberichte analysiert. Es geht darum, die medialen Bilder und deren Konstruktion von Realität im Zusammenhang des ideologischen Kontextes westlicher Politik und Kultur zu untersuchen. Die Repräsentationskritik richtet den Blick auf westliche Mediendiskurse und deren Normierungsstrategien entlang der Dichotomien west/ost, säkular/fundamental, modern/rückständig, die
doi:10.1515/fs-2003-0106
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