Zum Einwand der Grundrechtswidrigkeit von Richtlinien in Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof

Nina Wunderlich, Dr. Britta Hickl
2013 Europarecht  
Einleitung Das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 -260 AEUV hat sich als Instrument der Durchsetzung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich bewährt. Es dient der Europäischen Kommission bei der Erfüllung der ihr in Art. 17 Abs. 1 EUV zugewiesenen Aufgabe, für die Anwendung der Verträge und des hierzu ergangenen Sekundärrechts zu sorgen und diese unter der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs zu überwachen. Ein wesentlicher Teil dieser Aufgabe
more » ... eht in der Praxis in der Kontrolle der Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten. Hier machen gerade die Fälle der Nichtumsetzung bzw. der verspäteten Umsetzung von Richtlinien einen großen Anteil aus, die nun durch den Vertrag von Lissabon mit Einführung des Art. 260 Abs. 3 AEUV beschleunigt sanktioniert werden können. 1 Verschiedentlich wird von den Mitgliedstaaten im vorgerichtlichen Verfahren und ggf. auch vor dem Gerichtshof der Einwand erhoben, dass die Richtlinie, deren Umsetzung sie verweigern bzw. verzögern, gegen europäisches Primärrecht verstoße und aus diesem Grund nicht oder nur teilweise umzusetzen sei. Einer solchen * Ministerialrätin Dr. Nina Wunderlich leitet das Referat "Recht der EU" im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Ri'in am LG Dr. Britta Hickl ist derzeit als Referentin an das Referat abgeordnet. Die Verfasserinnen geben in diesem Beitrag ausschließlich ihre persönliche Auffassung wieder. 1 Gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV kann die Kommission im Falle der Nichtumsetzung von Richtlinien bereits bei Klageerhebung nach Art. 258 AEUV einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld benennen. Der EuGH kann dann bereits in diesem (Erst-)Verfahren gleichzeitig mit der Feststellung der Vertragsverletzung den Mitgliedstaat zur Zahlung eines Zwangsgelds oder Pauschalbetrags verurteilen, ohne dass es -wie sonst im Regelfall -der Durchführung eines eigenen Zwangsgeldverfahrens nach Art. 260 Abs. 2 AEUV bedarf.
doi:10.5771/0531-2485-2013-1-107 fatcat:whelgmucxvebzgljrgtq3nxvyu