stadtkernarchäologische Untersuchung Juridicum in Halle (Saale)
Oliver Specht
2021
Einleitung Ziel dieses Berichtes ist die zusammenfassende Vorstellung von Befunden der Ausgrabung Juridicum, die vom 09.04. bis zum 08.09.1996 im Stadtkern von Halle (Saale) durchgefiihrt wurde. Im Bereich zwischen dem heutigem Universitatsplatz (ehemals "Am Schulberg") und der weiter westlich gelegenen SpiegelstraBe sollten im Zuge eines Neubaus fur die Juristische Fakultat der Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg mehrere Parzellen modern iiberbaut werden. Der dabei zu erwartende Verlust
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... an archaologischer Substanz machte umfangreiche Ausgrabungen notwendig. Die archaologischen Untersuchungen erfolgten im Rahmen eines Projektes der Martin-Luther-Universitat und standen unter der fachlichen Aufsicht des Landesamtes fur Archaologie Sachsen-Anhalt (LfA). Neben der vorgeschichtlichen Besiedlung ab der Bronzezeit ist im folgenden besonders auf die mittelalterlichen bis friihneuzeitlichen Bauphasen I-IV einzugehen. Sie gewahren einen Einblick in die Besiedlungsstrukturen und -ablaufe in der Zone der Stadterweiterung von 1120 n. Chr. und der 1. Halfte 12. Jh. Interessant wird die Grabung Juridicum vor allem im Vergleich mit der Stadtkerngrabung am alten Trbdelmarkt in Halle (Saale). Im Feuchtbodenbereich unweit des heutigen Hauptmarktes und westlich der sog. halleschen Marktplatzstdrung konnten zahlreiche Holzer der spatslawischen Holzbebauung dendrochronologisch datiert werden. Sie wurden zeitlich allesamt in das 10.-12. Jh. eingeordnet und tragen zu einer Absicherung der Keramikabfolge bei. Die jiingsten dendro chronologisch abgesicherten Befunde und Funde vom Trodel iiberschneiden sich zeitlich mit den alteren Funden vom Juridicum. Aus diesem Grund sind die Grabungsergebnisse Juridicum sowohl fiir die lokale Keramikchronologie als auch fur die allgemeine Stadtentwicklung von groBer Bedeutung. Bedingt durch die gesteigerte Bautatigkeit haben in jiingster Zeit umfangreiche planmaBige Ausgrabungen das archaologische Fundmaterial stark anwachsen lassen. Uber die Auswertung der neuesten Grabungsergebnisse kann nun auch das enorme Altfundmaterial aus dem Stadtgebiet von Halle zusammenfassend vorgestellt und sinnvoll bearbeitet werden. Dies geschieht z. Z. in zwei Dissertationen zur friihbis hochmittelalterlichen bzw. hoch-bis spatmittelalterlichen Stadtentwicklung aus archaologischer Sicht1. Stadtgeschichtlicher Zusammenhang, StraBennamen und Topographic Insgesamt wurden sechs Grabungsabschnitte auf dem Gelande zwischen SpiegelstraBe und Universitatsplatz angelegt (Abb. I)2. Der topographisch hbchste Punkt ostlich der Grabungsflache ist mit dem Hauptgebaude der Universitat, dem sog. Lowengebaude, bebaut. Es wurde 1832-1834 auf dem Keller des in der ersten Halfte des 13. Jh. gegriin-Abb. 2: Perspektivischer Stadtplan von Halle (Saale), entworfen von J. Keyser (1635-1667 vervollstandigt), Ausschnitt "Am Schulberg" Besiedlungs-und Baugeschichte aus archaologischer Sicht 1. Vorgeschichte (siehe Beilage 2) In den Grabungsabschnitten A 2 bis A 4 konnte direkt auf dem gewachsenen Boden stellenweise eine ca. 10-20 cm starke Siedlungsschicht dokumentiert werden. Sie war vor allem mit bronze-/eisenzeitlicher Keramik durchsetzt und deutet zusammen mit einigen Pfostenlbchern, kleineren Gruben sowie einem schmalen Grabchen auf eine vorund friihgeschichtliche Besiedlung hin. Im nach Osten ansteigenden Gelande nimmt die Dichte vorgeschichtlicher Befunde konstant zu, so daB der SchluB naheliegt, das eigentliche Zentrum der prahistorischen Ansiedlung(en) habe im Bereich des spateren BarfiiBerklosters gelegen. Unter einer hochmittelalterlichen Planierschicht traten im Grabungsabschnitt A 4 mehrere vorgeschichtliche Gruben zutage, von denen besonders Bef. Nr. 418 und 451 hervorzuheben sind (Beilage 2). Bei Bef. Nr. 418 handelt es sich um eine einst wohl kreisrunde Grube, in welche GefaBe (uberwiegend mit Kegelhals) des Horizontes Ha B/C eingestellt wurden (Taf. 1.2, 3, 8; 2.2). Spuren einer etwaigen Abdekkung haben sich nicht erhalten. Es diirften wohl insgesamt vier bis fiinf vollstandige GefaBe gewesen sein, die durch die mittelalterliche Planierung und die Eintiefung der neuzeitlichen Abfallgrube (Bef. Nr. 401) allerdings z. T. sehr stark zerscherbt wurden. Auffallig ist die betrachtliche Anzahl facettierter Wandungsscherben bauchiger Kegel-halsgefaBe (Taf. 1.2; 1.8). Kegelhals und Bauch sind uberwiegend geglattet, die GefiiBunterteile jedoch oftmals ungeglattet, mit Schlickrauhung oder wie in einem Fall (Taf. 2.2) mit unregelmaBigen Kerbstrichritzungen versehen. Das letztgenannte Verzierungsele-
doi:10.11588/jsmv.1998.1.83027
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