08_Von der Zweisprachigkeit zur Einsprachigkeit
Peter Scherber, Göttingen Academy Of Sciences
2017
Hinter den folgenden Ausführungen steht keinesfalls ein ursprünglich linguistisches Interesse. Linguistische Feststellungen sind dieses Mal allenfalls ein Anlass, über nationbildende Prozesse, über sprachlich und literarisch gesteuerte kulturelle Differenzierungen und in deren Gefolge auch über Kanonbildungen nachzudenken. Da der schönen Literatur auch bei den Slowenen im Laufe der kulturellen Selbstvergewisserung wie selbstverständlich die Funktion zugewachsen war, wegweisend für die noch
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... bauende nationale Kulturentwicklung zu sein, ist es notwendig, die Anfänge einer kontinuierlichen Belletristik in slowenischer Sprache, beginnend etwa um das Jahr 1830, näher ins Auge zu fassen. Unter diesem Aspekt ist es dann doch eine erstaunliche Tatsache, festzustellen, dass sich die wesentliche Emanzipation der slowenischen Literatur als Nationalliteratur im 19. Jahrhundert in der relativ kurzen Zeitspanne eines halben Jahrhunderts -zwischen den 30er Jahren und den 80er Jahren -abgespielt hat. Hierbei ist es allerdings notwendig, gleich mit einigen Präzisierungen die Plakathaftigkeit meines Titels einzugrenzen. Mit der anfänglichen "Zweisprachigkeit" gebe ich eine allgemeine Charakterisierung der Laibacher Stadtkultur in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Dies mag vielleicht nur in einem Teil der Fälle auch eine individuelle Zweisprachigkeit gewesen sein. Und sie war dazu noch sozial differenziert: Am knappsten und schönsten hat dies der deutsch und slowenisch dichtende France Prešeren in seinem Gedicht "Warum sie, wert dass Sänger aller Zungen ..." ausgedrückt, wo er feststellt, dass in der Regel "hierzulande" die Herren deutsch und die Diener slowenisch sprächen. 1 Ein weiteres, eindrucksvolles Zeugnis über eine heute geradezu indifferent anmutende Haltung zum Sprachproblem stammt aus den Erinnerungen des 1 "Deutsch sprechen in der Regel hier zu Lande / die Herrinnen und Herren, die befehlen / slowenisch die, so von dem Dienerstande." Prešeren 1964, S. 220.
doi:10.26015/adwdocs-806
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