Georg Herwegh, Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hg. von Ingrid Pepperle in Verbindung mit Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe, Hendrik Stein. Bd. 1: Gedichte 1835–1848. Bearbeitet von Volker Giel. Bd. 5: Briefe 1832–1848. Bearbeitet von Ingrid Pepperle. Mitarbeit Heinz Pepperle, Norbert Rothe, Hendrik Stein. Bd. 6: Briefe 1849–1875. Bearbeitet von Ingrid Pepperle und Heinz Pepperle. Mitarbeit Norbert Rothe, Hendrik Stein. Aisthesis, Bielefeld 2005–2010

Walter Hettche
2011 Arbitrium  
Zum Dichter sei er nicht berufen gewesen, hat Friedrich Sengle über Georg Herwegh geurteilt; er sei nichts weiter als "ein sich überschätzender Spezialist für politische Lyrik". 1 Mit dieser Einschätzung steht Sengle in der westdeutschen Germanistik keineswegs allein. In der DDR dagegen feierte man Herwegh als einen der führenden revolutionären Schriftsteller, und gerne hätte Ingrid Pepperle dort schon vor Jahrzehnten eine Herwegh-Gesamtausgabe vorgelegt. Die von der Akademie der Wissenschaften
more » ... der DDR geplante historisch-kritische Edition der Werke und Briefe konnte jedoch nicht realisiert werden, denn ein großer Teil des Nachlasses liegt im Herwegh-Archiv im schweizerischen Liestal, für Forscher aus der DDR also nahezu unerreichbar. Wer sich wissenschaftlich mit dem Autor beschäftigen wollte, musste entweder auf die Originalausgaben zurückgreifen oder die 1909 erschienene Edition von Hermann Tardel in der Reihe der Bong'schen Klassiker-Ausgaben benutzen. Die schmale Ausgabe in der "Bibliothek deutscher Klassiker" des Aufbau-Verlags, besorgt von Hans-Georg Werner, ist keine eigenständige editorische Leistung, sondern folgt Tardels Edition. Die neue, auf sechs Bände angelegte "Kritische und kommentierte Gesamtausgabe" ist die erste, die Herweghs Nachlass und sämtliche in anderen Archiven und Privatsammlungen verstreuten Materialen auswertet, wodurch sich der Textbestand gegenüber der Ausgabe von Tardel vervierfacht hat. Das ist nicht nur für die Herwegh-Forschung (wenn es sie denn gibt) ein unschätzbarer Gewinn, sondern für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Vormärz insgesamt. Vor allem in den Briefbänden ist der Zuwachs beträchtlich; von den rund 650 überlieferten Briefen Herweghs war die Hälfte bisher unveröffentlicht. Hier sind besonders die Briefe an den österreichischen Schriftsteller Adolf Kolatschek (1821-1889) hervorzuheben (vgl. Bd. 6, S. 522). Zu Herweghs Briefpartnern zählt alles, was um diese Zeit Rang und Namen hat, Ludwig Feuerbach und Heinrich Heine, Franz Liszt und Gottfried Keller, Richard Wagner und Ferdinand Lassalle. Die weitaus meisten Briefe sind allerdings an die Ehefrau Emma Herwegh gerichtet. Bedauerlich ist, dass die Briefe an Herwegh nicht in die Ausgabe aufgenommen worden sind.
doi:10.1515/arbi.2011.053 fatcat:awyxmxtpgvg6xeo6rma5fe7xhq