Erwiderung auf obige Bemerkungen von Dr. Weicker betreffend stomachale Verabreichung von Tuberkulinpräparaten
B. Möllers
1913
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Unsere prinzipielle Auffassung, daß die stomachale Anwendungsweise eines Tuberkulinpräparates nach dem heutigen Stande unseres Wissens gegenüber der subkutanen Injektion wissenschaftlich als ein Rückschritt angesehen werden müsse, stützt sich auf die großenteils noch unter den Augen Robert Kochs ausgeführten umfangreichen experimentellen Untersuchungen von Mol le rs -He inc m an n , "Teber die stomachale Anwendung von Tuherkulinpräparaten", dic in deiti (iritten Heft der Veröffentlichungen der
more »
... obert Koch-Stiftung niedergelegt sind. Durch diese Untersuchungen wurde festgestellt, daß die spezifische Substanz des Tuberkulins unter dem Einfluß des Pepsins und Trypsins stark geschädigt wird, wie sich experimentell durch den Ausfall der Pirquetschen Reaktion, des Meerschweinchenversuchs und des Komplement bindungsversuchs nachweisen I ieß. Selbst hochgradig tuberkulinempfindliche Menschen vertrugen bei stomachaler Verabreichung Dosen bis zu 1000 mg Aittuberkulin und loo mg Bazillenemulsion in der Regel ohne jede Fieber-und sonstige Allgemeinreaktion sowie ohne I{erdreaktion. Auch bei den mit hohen Tuberkulindosen stomachal behandelten Patienten ließ sich cine Tuberkulinimmunjtät nicht nachweisen, und zwar weder durch Auftreten von Antikörpern im Blutserum, noch durch Verschwinden der Pirquetreaktion, noch durch Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit des Organismus gegenüber subkutan gegebenen kleinen Tuberkulindosen. Auf Grund unserer klinischen Beobachtungen und experimentellen Untersuchungen kamen wir daher zu dem Schluß, (laß die stomachale Verabreichung von Tuberkulin zwar den Patienten nichts schadet, daß sie aber wegen der Abschwächung der spezifischen Substanz durcb die Verdauung, wegen der mangelhaften Resorption und der unsicheren Dosierung als therapeutische Maßnahme abzulehnen sei. Bei unseren damaligen Untersuchungen wurden als Hauptrepräsen. tanten der bekannten Tuberkulinpraparate das aus der Kulturflüssigkeit hergestellte "Alttuberkulin" und die aus den Bazillen gewonnene "Bazillenemulsion" gewählt, da es selbstverständlich unmöglich war, sämtliche bekannten Präparate, zu denen damals das Molliment noch nicht gehörte, daraufhin zu prüfen. Es liegt vorläufig noch kein Grund zu der Annahme vor, daß das Molliment eine Ausnahmestellung gegenüber den anderen Tuberkulosepräparaten einnehmen sollte. Ob Zeuner sein Tebesapin alias Molliment ein Tuberkulosepräparat und nicht ein Tuberkulin nennen will, weil es hei der staatlichen Tuberkulinprüfungsmet.hode im Meerschweinchenversuch versagt, scheint uns für die Bewertung des Mittels gleichgültig zu sein. Jedenfalls ist bisher die Richtigkeit der Weickersehen Annahme nicht erwiesen, daß das Molliment von den Verdauungssäften des Magendarmkanals in anderer. seine spezifische Wirkung weniger beeinträchtigender Weise beeinflußt wird als die Tuberkuline. Selbstverständlich würden auch wir es als einen wissenschaftlichen F'ortschritt begrüßen, wenn die Darstellung eines pezifisehen Präparates gegen Tuberkulose gelänge, das auch bei interner Verabreichung eine zuverlässige Wirkung entfatete. Auch wird man Weicker gern beistimnien können, wenn er prinzipiell die Darstellung von wirk-samen Tuberkulinpräparaten, die unter Umgehung der Injektion appliziert werden, für ein erstrebenswertes Problem hält. Solange dies noch nicht geschehen ist, dürfte es aber doch wohl zweckmäßig sein, an der bisher bewährten Methode der subkutanen Injektion festzuhalten.
doi:10.1055/s-0028-1128359
fatcat:kzvluwciwjes7jyaebky7xeovu