Eine neue Methode zur Erhaltung der vorderen Stirnhöhlenwand bei Radikaloperationen chronischer Stirnhöhleneiterungen1)
Gustav Ritter
1906
Deutsche Medizinische Wochenschrift
durch äußere Eingriffe kann schon die Auffindung der betreffenden Höhle zuweilen dem Operateur Schwierigkeiten bereiten. Dies liegt einmal an der wechselnden Größe und Gestalt, dann aber auch an den nicht seltenen Anomalien dieser Höhle, besonders an den durch Deviation des Stirnhöhlenseptums entstandenen Asymmetrien. Durch letztere kann sogar einer der beiden Sinus ganz aus dem Bereiche der Stirnbeinschuppe verdrängt sein, wiihrend die vergrößerte Höhle der anderen Seite allein hier den Raum
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... ider einnimmt. Greift z. B. die rechte Stirnhöhle weit über die Mittellinie nach links hinüber, so wird man bei dem Versuch, die linke Stirnhöhle von der vorderen Wand aus links neben der Medianlinie zu eröffnen, mit Sicherheit in die Höhle der anderen Seite gelangen. Ebenso wird man bei dieser Eröffnungsmethode die Stirnhöhle ganz verfehlen, wenn diese so klein und tief gelegen ist, daß sie nicht bis in die Stirnbeinschuppe hineinreicht. In letzterem Falle wird man dann über die tiefer gelegene Stirnhöhle hinweg in die Schädelhöhle kommen. Diese Schwierigkeiten der Auffindung der Stirnhöhle fallen fort, wenn man die Eröffnung derselben grundsätzlich nicht von der frontalen, sondern von der orbitalen Wand aus vornimmt. Jede noch so kleine Stirnhöhle wird hierbei ohne Schwierigkeit gefunden, wenn nicht ganz besonders komplizierte Anomalien vorliegen. Auch das etwaige Fehlen der Stirnhöhle wird hierbei leicht konstatiert werden können. Der einzige Zwischenfall, dem der Operateur bei dieser Art des Vorgehens ausgesetzt ist, ist der, daß er gelegentlich zunächst eine vorgeschobene Siebbeinzelle eröffnen kann und dann erst in die Stirnhöhle selbst gelangt. Aber auch noch aus einem anderen Grunde empfiehlt es sich, Stirnhöhlenoperationen immer von der Orbita her zu beginnen. In unmittelbarster Nachbarschaft des Stirnhöhlenostiums liegen im Infundibulum die Mündungen jener vordersten Gruppe von Siebbeinzellen, die wir als Frontal-, bzw. Infundibularzellen bezeichnen. Infolge dieser engen räumlichen Beziehungen sind wir oft nicht imstande zu entscheiden, ob der in der Nase sichtbare Eiter aus dem Ostium der Stirnhöhle oder einer der benachbarten Siebbeinzellen herstammt, zumal auch die übrigen Erscheinungen, selbst die Druckempfindlichkeit der Stirnhöhlenwände, bei Eiterungen der Infundibularzellen in gleicher Weise wie bei Stirnhöhleneiterungen vorhanden sein können. Ja, in einem Falle habe ich sogar Oedem über der vorderen Stirnhöhlenwand gesehen, während bei der Operation sich die Stirnhöhle als gesund erwies und nur die Infundibularzellen den Sitz der eitrigen Entzündung bildeten. Auf Grund derartiger wiederholter Erfahrungen halte ich es für empfehlenswert, der eigentlichen Operation der Stirnhöhle stets eine probatorische Eröffnung vorauszuschicken und dabei das operative Vorgehen so einzurichten, daß von demselben Schnitte aus die Ausräumung der Infundibularzellen angeschlossen werden kann. Dies läßt sich ebenfalls nur beim Eingehen von der Orbita aus bequem vereinigen. In allen Fällen von Stirnhöhlenoperationen -sowohl in akuten Fällen mit behindertem Sekretabfluß nach der Nase, als auch bei chronischen Eiterungen, wo ich eine Radikaloperation beabsichtige -gehe ich deshalb jetzt folgendermaßen vor: Einlegen eines Bellocq-Tampons in die Choane der zu operierenden Seite. Abschneiden der Augenbraue mit der Schere, sodaß der Verlauf der Braue noch an den Stoppein zu erkennen ist (nicht rasieren!). Bogenförmiger Hautschnitt vom medialen Ende der Incisura supraorbitalis (um womöglich die Durchschneidung des Nerven und der Gefäße zu ersparen) dicht neben und parallel dem Nasenrücken bis zur Apertura 1) Nach einem ini November 1905 in der Berliner Otologischen cieseilschalt gehaltenen Vortrage. Das Manuskript ist am 2. Mai bei der Redaktion eingegangen. Die Diskussion des vortrags siehe 1906, No. 2, S. 82. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0029-1188608
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