Die Neutralität des Psychoanalytikers als ethische und klinische Herausforderung [chapter]

Ewa Modzelewska-Kossowska
2020 Wiederkehr des Verdrängten?  
There is a war between the rich and poor, A war between the man and the woman. There is a war between the ones who say there is a war And the ones who say that there isn't ...« Leonard Cohen ( 1974) Neutralität ist eine wünschenswerte Qualität in der Haltung des Analytikers, die dem psychoanalytischen Prozess zugutekommt. Im von J. Laplanche und J.-B. Pontalis herausgegebenen Vokabular der Psychoanalyse (1973), das genau genommen ein Wörterbuch der Freud'schen Theorie ist, heißt es dazu: »Der
more » ... alytiker soll neutral sein im Hinblick auf religiöse, moralische und soziale Werte, das heißt die Behandlung nicht aufgrund irgendeines Ideals lenken und sich jedes Rats enthalten; neutral in Bezug auf Übertragungsmanifestationen, was man gewöhnlich durch die Formulierung ausdrückt: ›nicht in das Spiel des Patienten eindringen‹; neutral schließlich gegenüber den Werten des Analysierten, das heißt nicht dieses Fragment oder jenen Bedeutungstypus von vornherein aufgrund theoretischer Vorurteile bevorzugen« (ebd., S. 331). In struktureller Hinsicht wird Neutralität als äquidistante Positionierung zum Es, Ich und Über-Ich definiert. Laplanche und Pontalis betonen, »daß die Neutralitätsforderung ausschließlich der Behandlung gilt; sie stellt eine technische Empfehlung dar. Weder impliziert noch garantiert sie eine souveräne ›Objektivität‹ dessen, der den Beruf des Psychoanalytikers ausübt. Die Neutralität kennzeichnet nicht die reale Person des Analytikers, sondern seine Funktion: Derjenige, der Deutungen gibt und die Übertragung geschehen läßt, sollte neutral sein, das heißt als psychosoziale Individualität nicht eingreifen; es handelt sich hier offensichtlich um eine Grenzforderung« (ebd., S. 332).
doi:10.30820/9783837977325-297 fatcat:7b6vxpvaxjghvinu2rwurru7jq