Durch die Wüste
[chapter]
Maria Antonietta Macciocchi
2020
Die Schwarze Botin
Man muß sie nur von Ettore Scola bezeugen lassen. Niemals ist das Kino so weit gegangen in der Oberbauanalyse der Situation einer Frau, die dem Mussolini-Faschismus ins Garn gegangen ist wie in Une journée particulière (Ein besonderer (sonderbarer) Tag). Ein Hohes Lied des täglichen Faschismus auf die weibliche Sexualnot und auf die Sexualnot des Mannes, der weder ein männlicher Faschist ist noch ein männliches Rasseprodukt; schlimmer noch, »artfremd«. Zwei Außenseiterpositionen, zwei
more »
... esene Existenzen schließlich. Sie hingegen hat sich wie ein Kaninchen vermehrt, um dem Duce sechs Söhne zu schenken (nur noch ein weiterer, der noch fabriziert werden müßte, um das Mutterkreuz zu bekommen), und er zahlt ihr den Preis für die Enthaltsamkeit. Zwischen den beiden gibt es dann nicht den Tauschhandel üblicher Liebesbeziehungen: Ich gebe dir, du gibst mir, ich begehre dich, du gibst dich hin. Aber die stillschweigende Gefühlsinvestition -ohne traditionelles Liebesobjekt -als unendlich offene Begegnung; die zwischen ihnen sich abspielende Zärtlichkeit ist ohne sichtbares Ziel, gratis in gewissem Sinn, aber sie läßt die Mauern des Gefängnisses ahnen, in dem der eine und der andere sich schlagen und herumschlagen. Es ist der historische Faschismus von gestern -»der besondere Tag« Hitlers Ankunft in Rom -aber genauso der tägliche Faschismus. Scola hat auf zwei Stars gesetzt, Loren und Mastroianni, und damit eine Marktlücke des kinematographischen Narzissmus getroffen, aus dem klassischen Paar ist das Anti-Paar geworden. Der intellektuelle Mut des Regisseurs, der die Reklame zweier Superstars akzeptiert hat, findet seine Belohnung wiederum in der sarkastischen Ironie, mit der er seine Stars vom Sockel gehoben hat, indem er die neurotische Vorbestimmung der Modelle der Kinoindustrie im Lächerlichen scheitern läßt. Er hat die »feministische« Dreistigkeit, das erotische Symbol Loren herabzuwürdigen, die ewige Eva mit der Schlange -also das eigentliche Trugbild der Weiblichkeit -, um sie in die Wirklichkeit des Elends aller Hausfrauen zurückzuführen: Strümpfe mit Laufmaschen, bekleckerte Schürze, Haare mit Lockenwicklern, eine »eingerichtete« Frau (femme d'intérieur), die herumlatscht, verbraucht, stumm geworden über dem täglichen Einerlei des Abwaschs und der Instandhaltung einer düsteren Wohnung. Diese Negation des Geschlechts ist eine weitere Wendung im historischen Hintergrund -gegen die Vision des Faschismus, der das Loblied der Frau sang wie das einer Kuh wegen der guten Milch, die sie gibt, und der Menge https://doi.org/10.5771/9783835345331-369 Generiert durch IP '207.241.231.83', am 13.12.2020, 21:11:42. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
doi:10.5771/9783835345331-369
fatcat:sdkzhwxe3bb5pkyxzhl2srp4ka