Arbeitsmarkt- und Sozialinklusion: Von der traditionellen Analogie zur prekären Balance
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Rolf G. Heinze
2009
Rückkehr des Staates?
Beschäftigungskrise und gesellschaftliche Desintegration Die Soziologie hat sich sowohl historisch mit dem Phänomen der Arbeitslosigkeit auseinander gesetzt als auch in den letzten Jahren eine Reihe empirischer Untersuchungen vorgelegt, die inzwischen auch in der Öffentlichkeit Deutungshoheit erhalten haben. An der Karriere der Begriffe Prekariat, soziale Ausgrenzung oder gesellschaftliche Spaltungen als Signalwörter für soziale Ungleichheiten kann verfolgt werden, wie sozialwissenschaftliche
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... utungen der gegenwärtigen Wandlungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt in das Alltagswissen eingegangen sind. Bei der Thematisierung von Sozialinklusion ist insbesondere im internationalen Vergleich die ausgeprägte Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland auffällig, die zu sozialen Ausgrenzungen führt. Dies impliziert nicht eine klare und eindeutige Scheidungslinie zwischen den Zonen sozialer Sicherheit und prekären, unsicheren Lebenssituationen (also zwischen Inklusion und Exklusion), vielmehr ist insgesamt eine Flexibilisierung und Verunsicherung der Beschäftigungsstrukturen zu konstatieren. Zusätzlich zu den schon bekannten sozialen Strukturierungen entwickelten sich in den letzten Jahren neue Prekarisierungsformen auf dem Arbeitsmarkt als auch neue Formen der Arbeitslosigkeit, die sich durch einen dynamischen Wechsel zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung auszeichnen. Damit verwischen sich die klassischen Abgrenzungen zwischen Arbeitslosen und Erwerbstätigen immer mehr, und auch die populäre These von einer relativ 'zementierten' Zweidrittel-oder Vierfünftelgesellschaft wird brüchig. Die Zone unsicherer Erwerbsbeteiligung breitet sich sowohl im Westen wie im Osten aus, allerdings ist im Osten das Segment der stabilen, dauerhaften Beschäftigung wesentlich kleiner. Trotz einer wirtschaftlichen Belebung in den Jahren 2006 und 2007, die auch die Arbeitslosigkeit reduzierte und im Herbst 2008 sogar in vielen Regionen den tiefsten Stand seit Anfang der 1990er Jahre erreichte, ist in Deutschland weiterhin ein hohes Beschäftigungsdefizit und ein institutionell fest verankertes Repertoire gescheiterter Methoden zu seiner Bekämpfung zu konstatieren. Hinzu kommen die ausgeprägten sozialen Polarisierungsprozesse; ausgegrenzt bleiben zumeist die (unqualifizierten) Langzeitarbeitslosen. Dieser harte Kern hat sich auch in der konjunkturellen Erholungsphase der letzten Jahre kaum verringert und dürfte bei der aktuellen ökonomischen Krise, die sich zunächst durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten abzeichnete und sich inzwischen auch auf die Realwirtschaft
doi:10.1007/978-3-531-91727-6_5
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