Färberische Echtheitsbegriffe
P. Krais
1911
Angewandte Chemie
Absolute Echtheit gibt es nicht, was auch nicht notig ist, der Begriff der G e b r a u c h s c c h th e i t mu13 ausgcbildet werden und kann allein zii einem befriedigendcn Ziel fiihren. n'otwendig hierfiir ist vor allem, daB der Piirber weiB, wclchc Gebrauchscchthcitseigcnschaften die von ihm zu firbende Ware bcsitzcn 8011. Mit allgemeinen Ausdriicken ist ihm nicht gedient, es niuB entweder stipuliert werden "echt wie bisher geliefert, wie Muster usw." oder "echt fiir Gcbrauch als . . . " Wenn
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... die Ware auI3erdem noch bestimmte Ikhtheitseigenschaften fur die Z w i s c h e n v e ra r b e i t u n g haben muD, so sind diese ebenfalls anzugeben, aber ca besteht in viclen Fallen die Ckfahr, daB diese Eigenschaften dann, insbesondere mit Riichicht auf einen billigen Herstellungsprcis einzig und allein beriichichtigt werden, und daB hierunter die G c b r a u c h s e c h t h e i t leidct. Hilligc und einfache Fiirbemethoden, insbesondcrc fur Ware, die aus zweierlci Spinnmaterial brstcht, sind natiirlich sehr beliebt, sowohl bci cinfarbig als bei mehrfarbig herzustellenden Artikeln, und hierbei wird meist die Gcbrauchsechthcit giinzlich vernachliissigt. Am meisten ist wohl die Fiirberei der Militiirstoffe fortgcschritten, aber auch da konnte ich niich unlangst iiberzeugen, daB es z. B. ein wirklich echtes Feldgrau noch nicht gibt. Man muB sich also darauf besehriinken, das rclativ Echtestc auszusuchen. Das Publikum wird inimer wieder zu bclehren sein, daB es sich von den oft vcrlockend schonen, meist aber nur zur Verbilligung der Hcrstellung ausgefiihrton schiinfarberischen Kunstetiicken nicht bestechen lassen 8011, wenn es sich nicht gerade nur um Befriedigung eines Modebediirfnisses handelt. Uenn, um gerecht zu sein, muD man zugebcn, daB fiir die Befriedigung der Mode, wie in Liebe und Krieg, alles erlaubt ist; fiir Eintags-u-nd Bnnachtkostiime muD der Fabrikant und muB der Firber alle Register ziehcn diirfen, und wer das am besten kann, w i d daa Geschiift machen. Anders aber liegt der Fall, wenn cs sich um Waren handelt, die moglichst langen Gcbrauch aushalten d e n und die mit der V o r a u s s e t z u n g a u f D a u e r h a f t i g k e i t gekauft werden Der gegcn friihere Zeiten viel raschere Weclisel im Gcschmack, der viel haufigere Wohnungs-und Ortawechsel mit seinen jedesmal veriinderten Redingungen und Einrichtungen macht dem Fabrikanten und zugleich dem Farber seine Aufgabe leichter, man kann also im Hinblick darauf die Normen fiir die Gcbrauchsechtheit auf ein ertriiglichee MaD reduzieren. Auch die echteate Ware wird verderben, wenn sie nicht sachgcmiil3 behandelt und im Gebrauch nicht moglichst geschont wird. Die Zahl der Fabrikanten, die mit ihrer Ware genaue und do& wirksame Vorschriften fiir die Reinigung und Erhaltung der Waren geben, mu13 noch vie1 groder werden. Und immer wieder muB das Publikum darauf auf. merksam gemacht werden, daB eine kostbare Itickcrei, ein schon gefkrbter Vorhang, ein niit iunstlergewebe iiberzogenes Miibel sich ebensovenig halten kiinnen, wenn man die Sonne echoiungslos darauf brennen liiBt, wie eine Flasclic dlen Weins. Schonung und sachgemaBe Behandung muB man vom kaufenden I'ublikum verlangen iiirfen. Die Frage der L i c h t e c h t h e i t ist wohl lie wichtigste. &i es gestattft, sic an eineni Rei-pie1 aus ciner anderen Industrie zu ciner praktisch tandlichen Basis zu leiten. Es ist iuir von einer ToBen Versaninilung von Tapeziercrn und Tapetenabrikanten (also Produzenten, die eigentlich rin nteresse dafiir haben miiBten, daB die Tapeten noglichst oft erncuert wcrdcnwenn sie heute loch so kurmichtig wiircn, wie friiher) zugepebcn vorden, daB man fur eine gute Tapete, die ctua ,2&1,50 M die Rolle kostet, unter normalen Veriiiltnissen eine Haltbarkcit von 5 Jahren gerechterveise bcanspruchcn kann. Gehen wir auf dieser Bask wciter, so bean-,pruchen wir ein Gleiches fiir Buntwebercien, 3 Jahre iir Waschkleidcr und bunk Waschel), dafiir aber 15 Jahre fur wollene Tcppiche, allerhand Kunbtitickcrcicn und iihnliches. 1st das zu hoch gegriffen 1 GewiB nicht, nianclie werdcn noch nicht damit zufrieden sein; abcr pea d e hierbei kommt dann die besondcrc Schonung m Gebrauch zur Wirkung, denn wer seinen Tcppich 15 Jahre erhiilt, wird ihn auch noch 15 wcitere Jahre pt erhalten. Es ist hier natiirlich nur von der F a r b c c h t h e i t die Redc, nicht vom Abtragen lurch Reibung usw. Ganz iihnlich liogen die Dinge bei der W a s c h-: c h t h e i t. Auch d a ist sachgemiiBc Behandlung ler bunten Stoffe und Webereicn das erhaltende Prinzip, Echtheit insoweit vorausgesetzt, dal3 die Ware bei normaler Behandlung nicht leidet. Wer iie Kunstmittelchcn wcgliiBt, seine bunten Sachcn mit Regenwasser und Seife w l c h t , wird am bewsten Eahren. Abcr ich hoffe, daB iibcr dieses Thcnin demniichst noch gcnauere Angaben zu niachen win werden. Die beidcn Eigcmchaften: Lichtechthcit und Waschechtheit sind wohl die einzigen, bei dcmen der Gebrauchende in Frage kommt, weil er dic Haltbarkeit der von ihm gekauften Ware mit be-einfluBt. Es konnten noch andere Fille hinzukommen, sie werden aber steta vereinzelt und zufallig sein. Fiir eine endere Reihe von Echthcitaeigenschaften ist d e r F i i r b e r a l l e i n v e r a n tw o r t l i c h : daa ist z. B. die Reibechtheit. SchwciDcchtheit, Waaserechthcit, Bugelechthcit, Echtheit gegen Stral3enschmutz. Da hilft keine Schonung der Ware; wenn sie nicht echt ist, nimmt sie Schaden oder bewhiidigt das mitgetragene WeiB. Am meisten kompliziert L t endlich die dritte Kategorie von Echtheitafragen, die ich eingehends erwiihnte, und die leider viel AnlaS zur Erzeugung von mangclhafter Ware fiir den Gebrauch gibt. In sie gehoren die Eigemhaften, die eine Firbung in der Zwischenverarbeitung heben 8011; ihre Zahl ist groB und ich neme nur einige: die Echtheit 1) Fiir bunte W l c h c wiire etwa 12maliges Waschen im Jahr zugrunde zu legen.
doi:10.1002/ange.19110243808
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