Rezension: Lange, Willi: Aspekte der Höflichkeit
Axel Hübler
1988
Zeitschrift für Sprachwissenschaft
Willi Langes Arbeit, eine Münchner Dissertation, ist ein erster monographischer Versuch einer sprachwissenschaftlichen Behandlung von Entschuldigungen, die zweifellos einen wichtigen, ja elementaren Teilaspekt höflichen Verhaltens bilden. Das Zentrum der Arbeit besteht aus einer korpusgestützten Typologie von Strategien der Entschuldigung und deren sprachlichen Realisationen (Kap. 3;S. 54-181). Ihm vor-und nachgeschaltet sind zwei Kapitel mit allgemeineren Überlegungen, welche das Thema in
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... re Zusammenhänge stellen sollen; dabei wirkt freilich das nachgeschaltete 4. Kapitel über "Parallelen zwischen korrektiver und bestätigender Tätigkeit" im gegebenen Kontext eher wie ein Appendix denn wie ein integraler Bestandteil des Ganzen. Das vorgeschaltete 2. Kapitel (das auf ein knappes, formal gestaltetes Einleitungskapitel folgt) hat einführenden Charakter; es setzt mit allgemeinen und grundlegenden Aspekten der Höflichkeit ein und verengt dann den Fokus auf das Phänomen der Entschuldigung. In Substanz und Durchführung zeigt das Kapitel durchaus Ungewöhnlichkeiten. Ungewöhnlich sind z.B. manche Bezüge, in die Lange sein sprachwissenschaftlich ausgerichtetes Thema stellt. So verbindet er das Phänomen der Höflichkeit im allgemeinen, das er wie Goffmann 1971 im Sinne einer wechselseitigen Wahrung und Pflege des sozialen Gesichts der Interaktionspartner versteht, mit der Anstandsliteratur und ihrem Konzept des guten Benehmens; und für das Phänomen der Entschuldigung im besonderen zieht er zusätzlich nicht nur die klassische Rhetorik heran, sondern skizziert auch die Behandlung ähnlicher Konzepte im (bürgerlichen) Recht sowohl wie auch in der Theologie. Wenngleich innerhalb dieses Kapitels die verschiedenen Ansätze jeweils noch für sich behandelt werden, sind sie durchaus nicht Selbstzweck; sie sind insgesamt auch mehr als nur ein interessanter Beitrag zur Variation eines Motivs. Im Hauptteil der Arbeit nämlich wird Lange immer wieder auf diese Ansätze komparatistisch und kontrastiv Bezug nehmen und so schlaglichtartig den besonderen Stellenwert der Entschuldigung im Alltag erhellen können. Ungewöhnlich ist auch, daß die eigentliche sprachwissenschaftliche Exposition von Langes thematischem und methodischem Arbeitsinteresse nicht dominiert, sondern den anderen Einlassungen gleichgeordnet ist. Als Romanist, der er auch ist, setzt Lange bei de Saussure und Bally ein, spannt den Bogen zu den deutschen Sprachwissenschaftlern Wegener, von der Gabelentz und Havers und weiter zu den Sprachpsychologen Bühler und Kainz, kommt dann zur sprach-
doi:10.1515/zfsw.1988.7.1.123
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