Ein go-in im Apparat

1969 Kritische Justiz  
bewußt werden und daraus verbindliche Organisationsformen ableiten, die nicht zuletzt auch den Existenzschutz des einzelnen berücksichtigen müßten. Die Basisgruppen der einzelnen Fakultäten sollten durch eine überregionale Organisation eine bessere Kommunikation herstellen. Wieweit dies mit Hilfe des vds geleistet werden bnn, müßte geprüft werden. Immer noch gilt der Justizapparat als geschlossener Wall gegen jeden Ansatz von Emanzipation und Demokratie. In Berlin aber ist durch eine kollektive
more » ... Aktion zum ersten Mal ein Durchbruch gelungen. Während sich alle» Welt« über das Rehse-Urteil durch das Oske-Gericht erregte, um kurz darauf wieder in den gewohnten "Trott" zu verfallen, versuchte eine Gruppe von Referendaren -zunächst unter Einhaltung der üblichen Spielregeln -eine öffentliche Diskussion über den Freispruch und die dahinterstehende Ideologie herbeizuführen. In flugblättern -an alle Referendare und die Justizverwaltung verteilt -wurde zur Diskussion aufgerufen. Als niemand reagierte, folgte eine Petition an den Kammergerichtspräsidenten, die von über 120 Referendaren unterschrieben war. Dieser Vorstoß kam offensichtlich für die Bosse der Justizverwaltung und für Oske völlig unerwartet. Denn die geforderte Diskussion wurde zugesagt, dann abgelehnt, dann zugesagt und wieder abgelehnt. Man glaubte wohl, daß die Referendare von alleine wieder Ruhe geben würden. Die Referendare hatten inzwischen längst den exemplarischen Wert des Rehse-Urteils erkannt: in ihm wird die Unfähigkeit der Juristen zur bewußten Konfliktlösung deutlich; in ihm zeigen sich die verheerenden Folgen des stumpfsinnigen Gesetzespositivismus, unkritischer Autoritätsgläubigkeit und reaktionärer Vorurteile der Justizbeamten; in ihm offenbart sich ungeschminkt die Diskrepanz zwischen liberaler Rechtsstaatsideologie und konservativ-autoritärer Pra-XIS.
doi:10.5771/0023-4834-1969-2-181 fatcat:nmr2hyh3xbbdtjgldm2gdtredy