Aus der Berliner physiologischen Gesellschaft

1891 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Martini: Eine Beziehung zwiselieii der Athmung und Puls. wellengeseliwindigkeit. Sämmtliche Beobachtungen, die bisher liber die Pulsgeschwindigkeit veröffentlicht sind, sind so gehalten, als ob dieselbe in einer fortlaufenden Reihe von Pulsen immer die gleiche ist ; man bleibt im Zweifel, ob man die Unterschiede, die man in den Intervallszeiten eines Curvensystems sehr häufig, oft in bedeutender Grösse findet, allein auf Fehler der Methode oder auf physiologische Eigenthiimlichkeiten des
more » ... mus zu beziehen hat. Wie weit die ersteren dabei in Frage kommen, und ob von besonderen Einflüssen physiologischer Vorkommnisse überhaupt die Rede sein kann, darüber wollte ich im folgenden einige Klarheit schaffen. In dieser Absicht stellte ich bei dem gebräuchlichsten Pulsübertragungsapparat, dem Grunmach'schen Polygraphen, die Fehler fest, welche gewissermaassen künstliche Differenzen der einzelnen Geschwindigkeiten erzeugen könnten. Ich controllirte die Uebertragungsfähigkeit der Aufnahmekapseln, indem ich stets bei mehreren Curvenaufnahmen derselben Art die Sitze der Kapseln wechselte und die Genauigkeit der registrirenden Apparattheile, indem ich von Zeit zu Zeit durch besondere Versuche die mittlere Verspätung des einen oder anderen Schreibhebels bestimmte, so dass ich sie als bekannt in An-oder Abrechnung bringen konnte. Trotzdem, trotz Eliminirung der Uebertragungsfehler, die selten waren und als höchste Differenz einmal 15/ioo Sec. bewirkten, bestanden grössere Intervallsverschiedenheiten, deren Erklärung nur im Organismus selbst gesucht werden konnte. Ich glaube sie in den Blutdruckschwankungen gefunden zu haben, die wãhrend der Athmung stattfinden. Ich bestrebte mich deshalb, in meinen Curven neben den Pulswellen gleichzeitig diese Schwankungen zu erzielen, um einen Vergleich zwischen den Geschwindigkeiten der inspiratorischen und exspiratorischen Pulse direkt anstellen zu können. Dies gelang mir aber nur am Subclaviapuls, der bei einzelnen Personen Athmungsdruckschwankungscurven bot, an denen sich das Charakteristische derselben deutlich ausprägte: tiefes Niveau der Schwankungscurve im Beginn des Inspiriums, Anstieg aro Ende desselben, Höhe im Exspirium, Abfall mit beginnendetn Inspirium u. s. f. Ich berechnete die Pulsgeschwindigkeit und fand bei den am tiefsten gelegenen Pulsen eine weit geringere als bei den am höchsten gelegenen. Die Differenz betrug 2 m. Da ich jedoch nur selten Individuen mit brauchbarem Subc]aviapuls zur Verfügung hatte, waren zum Beweise eines Einflusses, den die Athmung nach obigen Resultaten auf die Pulsschnelligkeit wahrscheinlich ausübte, noch anderweitige Versuche nöthig. Ich gab deshalb das Erkennen von rhythmischen, während der Athmung etwa vorkommenden Aenderungen der Intervallszeit auf und bestimmte die Pulsgeschwindigkeit bei anhaltender Inspirationsstellung und Exspirationsstellung des Thorax, eine Untersuchung, die sich bei allen grösseren peripheren Arterien durchführen liess. Im ganzen wurden auf diese Weise acht gesunde, ein mit Nephritis und zwei mit Arteriosklerose behaftete Jndividuen in 65 doppelten Curvenreihen untersucht. Ausserdem nahm ich stets in derselben Sitzung, in der die beschriebenen Curven gezeichnet wurden, das absolute Pulsintervall, d. h. das Intervall bei ruhiger Athmung auf, womöglich noch bei unangerührter Pelottenstellung. Später bestimmte ich dann aus den Einzelziffern jeder Curve ihren Mittelwerth, und beim Vergleich dieser Mittelwerthe kam ich zu folgenden Resultaten, die ich in drei Sätze zusammenfassen will: Die Wellengeschwindigkeit Ist, nach Mittelwerthen berechnet, bei den Pulsen, die während andauernder Inspirationsstellung des Thorax stattfinden (durchschnittliche Geschwindigkeit fi m), geringer als bei den in die Exspirationsstellung des Thorax fallenden (durchschnittliche Geschwindigkeit etwas über 8 m). Die bei ruhiger Athmung aufgenommene Pulswellengeschwindigkeit ist stets grösser, als die der Inspirationsstellung des Thorax angehörige, dagegen der exspiratorischen ziemlich gleich. Die grossen Differenzen der Pulsgeschwindigkeit sind im wesentlichen auf die Athmung, die kleinen wohl nur auf Mess-und Uebertragungsfehler zurückzuführen.
doi:10.1055/s-0029-1206161 fatcat:dmkmzudgavgylmkevx36fvs77q