Bürgerbeteiligung oder »Stimme des Volkes«? Deliberative Partizipationsformen in verfassungsändernden Prozessen auf gesamtstaatlicher Ebene [chapter]

Jens Woelk
2021 Von Government zu Governance  
Der Rahmen: Partizipation an Änderungen der geltenden Verfassung Partizipative Prozesse deliberativer Art werden seit einigen Jahren auch im Kontext von Verfassungsänderungen angewendet. Entsprechend ihrer Ursprünge in Verwaltungsverfahren, wo partizipative Elemente Bürger stärker in die Governance von Gemeingütern einbinden sollen, sind Formen deliberativer Bürgerbeteiligungsprozesse auf verfassungsrechtlicher Ebene vor allem im Rahmen von Verfassungsänderungen eingesetzt worden. Also zur
more » ... derung geltender Verfassungen und als Ergänzung repräsentativ-demokratischer Elemente und nicht zur Verfassungsgebung im Sinne der Ablösung einer bestehenden bzw. der Erarbeitung einer komplett neuen Verfassung. Die Verfassungsgebung ist typischerweise Aufgabe einer gewählten, verfassungsgebenden Versammlung, als Ausdruck der Volkssouveränität, welche dem gesamten Verfassungssystem Legitimation und Legitimität verleiht. Diese konzeptionelle Abgrenzung ist auch inhaltliche Begrenzung: sie legt den Rahmen für den Einsatz partizipativer Elemente in Verfassungsänderungsverfahren fest. Inhaltlich geht es nicht um eine Revision der Verfassungsgrundlagen oder der obersten Verfassungsgrundsätze (»Bauprinzipien« der Verfassung), sondern eher um »Wartungsarbeiten« am von den Verfassungsgrundsätzen festgelegten Rahmen, 1 d.h. um die Anpassung oder Aktualisierung (»Nachführung«) der Verfassung in einzelnen wichtigen Punkten, 2 aber durchaus auch um größere Reformen auf einzelnen Gebieten.
doi:10.5771/9783748925026-59 fatcat:v42q3rf5efcubdmfqdqcsofhqa