Katholischer Sonntag : Skizzen zur Kulturgeschichte der dies domenica [article]

Andreas Holzem, University, My, University, My
2019
Skizzen zur Kulturgeschichte der dies dominica Andre as Holze m Vor oder um 1960 Geborene tragenje nach Herkunftnoch Bilder innerer Vertrautheit bei sich, welche heutiger Verlagspolitik aus dokumentarischen oder romantischen Gründen als verkaufsträchtig erscheinen. Jüngst publizierte Aufnahmen aus schwäbischen Dörfern der späten fünfziger Jah-re1 2 zeigen das Bad der Kinder in der von Hand gefüllten Zinkwanne am Samstagabend, den Kirchgang in Tracht und Anzug, die Öffentlichkeit der Dorfstraße
more » ... ei Kindstaufen und an Festtagen, nicht zuletzt den anschließenden Aufenthalt der Männer im Wirtshaus. Und dennoch ist dieser Sonntag längst Geschichte, ein Thema kulturhistorischer Ausstellungen geworden? Gleichzeitig ist die Sensibilität für das Vergehen einer bürgerlichbäuerlichen Sonntagskultur nicht neu: Zeitgleich zur Entstehung idealisierend-idyllischer Sonntagsbilder veröffentlichte Romano Guardini 1957 eine theologische Streitschrift, die zeigt, dass Ende der fünfziger Jahre der Sonntag keineswegs mehr eine unumstrittene religiöse Institution und soziale Kulturform war. Die große Gegnerin des Sonntags, so Guardini, sei die kapitalistisch strukturierte Arbeit, welche über ihr Diktat des Lebensrhythmus selbst zur Religion geworden sei. Der moderne Mensch, so Guardini, "fühlt, dass sie nicht jenes einfachhin Erfüllende ist, wozu die Neuzeit sie gemacht hat; dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist, und sie auch in jeder Demokratie auf Kosten der Freiheit getan werden muss, weil in ihr selbst eine Logik des Zwanges liegt. [...] Führt nicht von den in die Augen springenden Modellfällen [des 'Managertum unserer Tage'] eine kontinuierliche Linie bis zur Weise, wie jeder in Wirtschaft und Industrie Angestellte arbeiten muss, wenn er nicht nur seinen Posten behalten, sondern voran kommen will?"
doi:10.15496/publikation-35257 fatcat:sn6pivqkqfeehmug6sxssuug24