Leben in der Brudergemeinschaft des Klosters
[article]
Georg Braulik, Universitaet Tuebingen
2022
Auf der Suche nach dem Lebendas Vor-Wort Glücklichseindas ist die tiefste Sehnsucht des Menschen zu allen Zei ten. Wir sind mit einem Instinkt für die Unendlichkeit geboren. Dieses Ahnen in uns zielt auf stets Größeres. Freilich: der unstillbare Durst, das heimliche Feuer, die unerklärliche Unruhe des Innersten, die wir alle spüren, sind schwer zu fassen. Freude läßt sich ja weder erzwingen noch festhalten. Und zumeist wissen wir auch nicht, woran wir konkrete Glückserwartungen heften dürfen.
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... scheint jedoch, daß wir auf unserer Suche nach Glück vor allem zwei Zielen zustreben: der Verwirkli chung unseres Selbst und einer Liebe im weitesten Sinn. Wer wünschte nicht, das Beste aus sich und seinem Geschick zu machen, sein Leben so sinnvoll, so reich und erfüllt zu gestalten wie im mer nur möglich? Jeder von uns will ferner seine Ichgrenzen überschrei ten in verstehendem, liebendem mitmenschlichem Austausch. Diese Lie besfähigkeit, die aus Isolierung zu befreien vermag, kann sich zwar wie die Selbstverwirklichung Verschiedenstem zuwenden. In jedem Fall aber gilt: Ohne Entfaltung unserer Persönlichkeit verkümmern wir zu dump fen Massenmenschen; ohne die Fähigkeit zu lieben ersticken wir in den Engen unserer Selbstbezogenheit. Das Glück, das wir suchen, besteht so mit in der Verbindung der beiden, einander nur scheinbar widerstreben den Ziele: in der Synthese von Selbstverwirklichung und Liebesfähigkeit. Die ungestüme Sehnsucht nach einer besseren Qualität unseres Lebens sieht sich heute vorwiegend auf sozial-ökonomische Wunschbilder ver wiesen. Die Chancen des leuchtenden Wohlstandsglückes werden jedoch zunehmend durch Gefährdungen unseres Menschseins eingetrübt. So er fahren heute viele an sich eine tiefgreifende Entfremdung. Der ein zelne fühlt sich nur mehr als Objekt im System eines mechanisierten Be triebes. Er muß erleben, daß er vielfach mit der Funktion gleichgesetzt wird, die er ausübt, und daß er darin leicht durch einen anderen wie
doi:10.15496/publikation-69876
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