Verkörperungen – Bilder: theoretische Begriffsbestimmungen
[chapter]
Verkörperungen des Waldes
Es mag irritierend anmuten, von einem praktischen Diskurs oder von einer Sprache der Dinge reden zu hören gleichwohl ist damit nichts anderes gemeint als jenes Denken, das in die Dinge einfließt und hier sich in verdinglichter Form äußert. Tatsächlich stimmt es ja nicht, daß die Dinge stumm sind, sondern es liegt, wenn wir von einem Sachzwang reden, in Wahrheit ein Denkzwang vor, der nur die Gestalt einer Sache angenommen hat. Dieses verdinglichte, in den Artefakten eingeschlossene, oder
more »
... ich: in die Wirklichkeit hinausgelegte Denken ist dem, was sich selbst als Denken definiert, deutlich voraus und zwar so, daß das, was wir Denken nennen, zum Nachdenken verdammt ist (oder schlimmstenfalls, wie im Falle der spätmittelalterlichen Philosophie: zum Gegen-die-Dinge-Andenken, zur systematisierten Wahrnehmungsstörung). Descartes, vor dem Hintergrund der mechanischen Uhr, und damit: vor dem Prospekt seiner Megametapher betrachtet, ist kein Neuerer, sondern ein Nachzügler des Denkens.« 1 1 Burckhardt, Martin: Metamorphosen von Raum und Zeit, S. 15. 2 Vgl. Kap. Bürgerliche Naturmystik. VERKÖRPERUNGEN DES WALDES 38 etwa als stehendes Heer oder als Großkirche empfunden, konstruiert, propagiert wird. Mit Friedrich W. Heubach ist von einer »materiale[n] Repräsentanz, die dem Psychischen in den Dingen gegeben ist« auszugehen. 3 Die »Gegenständlichkeit der Dinge« stellt demnach »keine den Dingen inhärente Qualität, kein objektives Datum dar, sondern ein (psycho-logisches) Konzept«. Die Dinge sind nicht nur Ausdruck von Psychischem, vielmehr erfährt dieses in ihnen »auch eine gegenständliche Modellierung«. Heubach entwickelt seine Thesen im Hinblick auf die Ontogenese in der Moderne. Auf vormoderne Gesellschaften ist das, wie gezeigt, nicht anwendbar. Dass die Dinge dort sprechen, ist mit Foucaults »Formen der Ähnlichkeit« und »Signaturen« bereits erwähnt worden. Von einer Sprache der Dinge auszugehen heißt, die Dinge der äußeren Natur als historische Kulturgegenstände aufzufassen, die soziale Funktionen erfüllen. Diese Funktion ist vor allem eine der Sinnproduktion. Die soziale Produktion der Naturdinge weist ihnen mimetische Eigenschaften zu, weibliche oder männliche Eigenschaften, die desgleichen historischen Prozessen unterliegen. Die Dinge sprechen. Ihre Sprache besteht aus Verkörperungen. Die lebendigen Dinge der äußeren Natur symbolisieren also nicht, sondern sie verkörpern abhängig von den historisch unterschiedlichen Gesellschaftsstrukturen, vom menschlichen Körper als historischem Prozess jeweils etwas: Das, was innen gefühlt wird, dabei gefürchtet und/oder ersehnt, wird ebenso außen erfahren. Es geht also um Korrespondenzen von inner-und außerleiblichen (bzw. -körperlichen) Erfahrungsräumen . Die Existenz dieser Korrespondenzen hat bereits Marx mit dem Begriff des »unorganische[n] Leib[s] des Menschen« 4 angedeutet, mit dem dieser im permanenten Prozess des »Stoffwechsels« bleiben müsse, wobei mittels Arbeit ein permanent interdependentes Austauschverhältnis in der Interaktion von Gesellschaft und Natur bestehe. 5 »Arbeit ist« bei Marx »das prägende Mittel in diesem sozial-ökologischen Verfahren. Mit ihr verändert der Mensch« in geschichtlich jeweils eigener Art »nicht nur die äußere, sondern auch seine innere Natur«. 6
doi:10.14361/9783839403884-001
fatcat:mhvw5ewdxjam3ht4ohtc5bquga