Rezension zu: Florian Krüpe, Die Damnatio memoriae-Über die Vernichtung von Erinne-rung. Eine Fallstudie zu Publius Septimius Geta (Gutenberg 2011)

Jens Gering
unpublished
Religiöse Vorstellungen spielten bekanntlich für das römische Rechtsempfinden eine große Rolle. Somit stellte für einen Römer, an ein Leben nach dem Tod glaubend, die Verhängung der damnatio memoriae 1 über seine Person die höchste denkbare Strafe dar. Von der römischen Gemeinschaft (durch ihre senatorischen Vertreter) wegen perduellio oder crimen maiestatis zum hostis erklärt zu werden, bedeutete für die See-le des Verurteilten ewige Verdammnis. 2 So verwundert es nicht, dass diese
more » ... fe zu allen Zeiten der römischen Geschichte Anwendung fand, um "Verräter am eigenen Volk", aber auch politische Gegner der jeweils Herrschenden aus dem kollek-tiven Gedächtnis zu streichen. Florian KRÜPEs 2011 erschienene Publikation seiner Marburger Dissertation aus dem Jahr 2004 belegt als längsschnittartig angelegte Un-tersuchung, dass es den Römern hierbei keineswegs um die "Vernichtung von Erinne-rung" einer verhassten Person, sondern eher um ihre Diskreditierung gegangen ist, damit die Menschen sie in negativer Erinnerung behalten (252). 3 Wie aus dem Titel der Arbeit hervorgeht, liegt der Schwerpunkt der Untersu-chung auf der damnatio memoriae des Publius Septimius Geta, der gut ein Jahr nach dem Tod seines Vaters Septimius Severus 212 n. Chr. auf Veranlassung seines Bru-ders Caracalla in Rom ermordet wurde. Diese Fokussierung begründet KRÜPE in der Einleitung (13-18) damit, dass kein anderer Herrscher oder Privatmann so konsequent aus den überlieferten Bild-und Schriftträgern gestrichen worden sei. Bei seinen Re-cherchen in Inschriftendatenbanken habe der Autor 970 Belege für 120 Personen ge-funden, die zwischen dem 4. Jh. v. und dem 4. Jh. n. Chr. verdammt wurden, wobei 36% der Belege auf Geta entfielen. Auf Grund der Fülle des Quellenmaterials erhofft sich der Autor daher, anhand dieses Einzelfalles Antworten zu finden auf die Fragen, welche Intentionen allgemein hinter der damnatio standen und welche Wirkung man dieser Strafe zubilligen darf (18). Da die Memoriastrafe aber "kein spezifisch kaiserzeitliches und kein auf den Kaiser allein beschränktes Phänomen" sei (17), stellt KRÜPE seiner Fallstudie das um-fangreiche Kapitel IV: "Die damnatio memoriae im Wandel der Zeit" voran (19-176). In einem breit angelegten Längsschnitt untersucht der Autor zahlreiche in den Quellen beschriebene "Fälle" aus republikanischer Zeit (64-77) und der frühen Kaiserzeit (77-140) sowie Maßnahmen gegen einzelne principes Augusti (140-167). 4 1 Der Begriff ist modern, die Römer benutzten andere Ausdrücke, z.B. 'memoria damnata' oder 'me-moriam accusare'. 2 A. PESCH, De perduellione, crimine maiestatis et memoria damnata, Aachen 1995, 76. 3 Damit schließt sich der Autor dem Urteil von Ch. W. HEDRICK JR, History and Silence, London 2000, 93f. an, der von einer "dichotomy between memory and forgetfulness" spricht. 4 Konkret werden untersucht: Marcus Manlius Capitolinus, Marcus Antonius (als Vertreter der republi-kanischen Zeit), Brutus/Cassius, Cornelius Gallus, Scribonius Libo Drusus, Calpurnius Piso, Aelius Saturninus, Caius Silius, Cremutius Cordus und Aelius Seianus (stellvertretend für die frühe Kaiserzeit) sowie Caligula, Nero, Galba, Otho, Vitellius und Domitian (als der damnatio verfallene principes Au-gusti). Die Auswahl dieser Fälle erklärt der Autor damit, dass sie die damnatio memoriae im Allge-meinen nachhaltig beeinflusst hätten (64).
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