Book Reviews – Buchbesprechungen – Livres Nouveaux

1960 International Archives of Allergy and Immunology  
Unsere diagnostischen Methoden werden immer mehr verfeinert, und wir ge-wöhnen uns daran, die Diagnose hauptsächlich auf Laboratoriumsbefunde aufzubauen. Kein erfahrener Arzt wird es aber leugnen, daß die Anamnese und der erste Eindruck am Krankenbett eine wichtige Rolle spielen, oft entscheidend sind. Die Untersuchun-gen, die man vornimmt oder veranlaßt, sollen diesen Eindruck bestätigen oder bei der Differentialdiagnose helfen. Das Interesse und die Erfahrung des Arztes werden daher meines
more » ... chtens immer bei der Stellung der Diagnose und bei der Wahl der ersten therapeutischen Maßnahmen grundlegend sein. Selbstverständlich muß die «Erfah-rung» wissenschaftlich gut unterbaut sein, falls sie die Rolle spielen soil, die ihr zukommt. Dazu verhilft das vorlíegende Buch in didaktisch ausgezeichneter Weise. Die Herausgeber sind Kliniker, die die Entwicklung der modernen Medizin nicht nur miterlebt, sondern auch entscheidend mitbeeinflußt haben. Von ihnen stammt ein erheblicher Teil des Erfahrungsgutes, das wir bei der Stellung der ersten Diagnose heranziehen müssen. Es ist daher von großer Bedeutung, daß sie sich entschlossen haben, zusammen mit einer Anzahl hervorragender Mitarbeiter, dieses Erfahrungsgut systematisch zu bearbeiten und anschaulich zur Darstellung zu bringen. Der unbestrittene Altmeister der europäischen Medizin, W. Löffler, hat die Zielsetzungen des Buches in einem kurzen einleitenden Kapitel meisterhaft umrissen. In den folgenden Abschnitten sind die subjektiven («symptoms») und objektiven («signs») Krankheitszeichen Gebiet für Gebiet systematisch dargestellt. Es ist für den Studenten der Medizin aber auch für den in der Praxis stehenden Arzt außerordentlich lehrreich und wertvoll, der Darstellung zu folgen. Man lernt, worauf man achten muß und was die einzelnen Symptome zu bedeuten haben. Man lernt aber auch, daß man sich nicht ohne weiteres darauf verlassen soil, daß die Symptome «ihre deutliche Sprache» sprechen. Man muß viel-mehr lernen, ihre Sprache zu deuten, und man darf ihre Vieldeutigkeit nicht vergessen. Der erste Teil des Buches behandelt die allgemeinen Symptome. An diesem Ab-schnitt haben Schoen, Hadorn, Gsell, Waldenström, Vischer und Wuhrmann mitgearbeitet. Falls eine kritische Bemerkung gestattet ist, möchte ich in Frage stellen, ob die Besprechung der Grundlagen zur Beurteilung von Erbkrankheiten wirklich hierher gehört. Vor allem sollten, falls eine solche Besprechung erwünscht erscheint, die modernen biochemischen Gedankengänge berücksichtigt werden. Der zweite Teil ist dem Schmerz gewidmet. Dieser Teil wurde von Löffler, Bodechtel, Schmid, Nissen und Hess, Uehlinger, Debrunner, Braendly und Lüthy ausgezeichnet be-arbeitet. Es scheint mir jedoch, daß die Migräne (223-224) etwas stiefmütterlich behandelt wurde. Die Häufigkeit dieses Syndroms und die diagnostischen und differen-tialdiagnostischen Schwierigkeiten hätten eine ausführlichere Darstellung erfordert. Daß es Migränekranke gibt, die ihre Anfälle mit dem Genuß bestimmter Speisen in Zusammenhang bringen, ist unzweifelhaft, es ist aber sehr zweifelhaft, daß dies auf eine Allergie zurückzuführen ist.
doi:10.1159/000229144 fatcat:wrsfumeotzejxbjmdgl2yyhnza