Zur Entstehung des Hussitentums
Jiři Kejř, Vorträge Und Forschungen
2014
Die Konstanzer Väter waren überzeugt, nachdem sie am 6. Juli 1415 Magister Johann H u s dem Tode ausgefolgt hatten, daß sie einen gefährlichen Ketzer verurteilten, dessen Lehre dann leicht auch in Böhmen ausgerottet sein würde; sie ahnten nicht, daß sie in Wirklichkeit einen der bedeutungsvollsten Grenzsteine der tschechischen nationalen Geschichte bildeten, der nicht nur am Anfang der eigenen Epoche der hussitischen Revolution steht, sondern auch weitgehend die gesamte künftige Entwicklung der
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... tschechischen politischen Gesinnung bis zum heutigen Tag vorbestimmte. Die tschechi sche Historiographie verfolgte auch immer ängstlich die Ereignisse des Konstanzer Konzils und dessen Beziehungen zum böhmischen Königreich; die vier Jahre des Kon zils decken sich im großen und ganzen, was die Zeit anbelangt, mit der Periode der großen ideologischen und politischen Umstürze, aus denen dann zum Schluß die erste moderne Reformbewegung auf tschechischem Boden hervorgehen sollte. Das Kon stanzer Konzil bedeutete für eine ganze Reihe der europäischen Staaten wichtige Än derungen in ihren internationalen Beziehungen; für Böhmen ist es eine historische und fast Schicksalsperiode geworden. Es sei mir darum erlaubt, in meinem Vortrag die Jahre des Konzils zu behandeln, wie sie in der Periode der erregten Auseinandersetzungen in meinem Vaterlande ver gangen sind. Meine Situation ist nicht ganz einfach. Ich kann mich zwar auf viele ältere Werke und auch auf einige meiner eigenen Arbeiten stützen, aber meine Er gebnisse können nur eine bedingte Gültigkeit haben und zwar nur für eine begrenzte Zeit. Nächstes Jahr wird endlich, nach vielen Jahren der Vorbereitung und nach mehr maligem Aufschub, der erste Band eines systematischen Werkes des größten Kenners des Hussitismus, Professor F. M. Bartos, »Hussitische Revolution« erscheinen, das die Zeit vom Tode J. Hus bis zum Tode 2izkas behandelt; es wird eine Zusammen fassung aller bisherigen Kenntnisse sein und sehr wahrscheinlich wird es eine neue Basis für die künftige Forschung bilden. Ich sehe daher meinen Vortrag in Wirklich keit als ein Korreferat an, oder noch eher als einen umfangreicheren Diskussionsbei trag zum Vortrag von Herrn Seibt, den wir eben gehört haben, als eine Weiterführung seines allgemeinen Themas mit einigen Ergänzungen, betreffend ein bestimmtes, be grenztes Territorium und einen bestimmten Gedankenstrom.
doi:10.11588/vuf.1965.0.16242
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