Verhandlungen zwischen Spanien und der Abtei Gladbach wegen Übertragung des Laurentius-Hauptes nach dem Escorial

Ernst Brasse
1919 Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein  
Die Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach 1 ) erzählt uns von zahlreichen Reliquien, welche unter den Trümmern der alten Balderich-Kirche gefunden und vom Kölner Erzbischof Gero dem neuen Kloster zugewendet sein sollen. Aus späterer Zeit haben wir mehrere Verzeichnisse s ), welche uns bestätigen, dass die Abtei Gladbach über einen grossen Reichtum an Reliquien verfügt hat. Als eine der wertvollsten galt das Haupt des heiligen Laurentius. Dieses wird in der Gründungsgeschichte nicht erwähnt,
more » ... h nicht in dem Verzeichnis aus dem Jahre 1275; es lässt sich erst in dem zweiten Verzeichnis, das aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammt, nachweisen. Wir wissen also nicht, wann die Vitus-Abtei in seinen Besitz gekommen ist. An dieses Haupt des Laurentius knüpft sich eine eigenartige· Geschichte. König Philipp II. von Spanien, der Sohn Kaiser Karls V., hatte in der Schlacht bei St. Quentin, am 10. August 1557, also am Laurentiustage, das Gelübde getan, diesem Heiligen eine Kirche zu bauen. Er hielt sein Versprechen und Hess in Escorial, ungefähr 50 km nordwestlich von Madrid, ein grossartiges Augustinerkloster ausbauen, mit einem Schlosse und besonders einer 1) Gedruckt:. Ropertz, Quellen und'Beiträge zur Geschichte der Benediktiner-Abtei des hl. Vitus in M.-Glcidbach. M.-Gladbach 1877, S. Iff. 2) Gedruckt: Brasse, Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach. (M.-Gladbach 1914), Bd. I S. 478. Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 9/17/15 1:38 AM Vi-rliiindl. wegen Übertrag·, d. Laurentius-Hauptes nach dem Escorial. 49 •üclitigen Kirche, welche der Peterskirche in Rom nachgebildet ivar Krypta wurde als Grabstätte der spanischen Könige eingerichtet. Geweiht wurde diese Kirche, deren Bau eine lange / jC it in Anspruch nahm (von 1559 bis 1584), dem heiligen Laurentius, dem Nationalheiligen der Spanier. Philipp II· war nun bestrebt, für diese Kirche des San Lorenzo del Escorial möglichst viele Reliquien dieses Heiligen zu sammeln, und da die wertvollste, nämlich das Haupt, sich iu Gladbach befand, so begann er Verhandlungen mit der Abtei und o-ab sich (seit 1570) die grösste Mühe, sie zur Auslieferung jener Reliquie zu bewegen 1 ). Als geschickter Diplomat setzte er sich vorher mit dem Erzbischof Salentin von Köln in Verbindung und suchte mit dessen Hilfe sein Ziel zu erreichen. Der Kölner wollte sich auch gern dem mächtigen "spanischen Könige gefällig erweisen und' schickte am 18. September 1570 von Speier aus, wo er wegen wichtiger Reichstagsverhandlungen weilte, einen Brief an den damaligen Abt von Gladbach, Peter von Bocholtz (1538-1573). Er bat ihn, seine Einwilligung dazu zu geben, dass jene Reliquie nach Escorial iiherführt würde, und sprach damit zugleich seine Zustimmung and Erlaubnis aus 2 ). Peter von Bocholtz war selbstverständlich nicht gewillt, ohne weiteres diesen kostbaren Schatz herzugeben, nur damit der Erzbischof sich dem Könige gefällig zeige und dafür seine Belohnung einheimse. Für ihn gab es zunächst die Frage zu beantworten, soll die Reliquie ausgeführt werden oder nicht. Allein durfte er diese Frage nicht entscheiden, der Konvent musste dies tun. Aber da wir über dessen Ansichten und über dessen Beratungen ganz im Dunkeln sind, müssen wir uns wieder an Peter von Bocholtz halten. Wir wissen, dass er ein äusserst tätiger und energischer Charakter, dass sein Einfluss auf den Konvent sehr gross gewesen ist; wahrscheinlich wird also seine Meinung bei 1) Alle wichtigen Schriftstücke befinden sich im Düsseldorfer Staatsarchiv: Abtei Gladbach. Akten Nr. 5 "Processus". Es sind meist Abschriften aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auszüge aus 104 Nummern sind bei Eckertz-Noever (Die Benediktiner-Abtei M. Gladbach, Köln 1853) angegeben, S. 184 -197. In den ersten Nummern sind einige Namen, die falsch gelesen sind, zu verbessern. 2) Eckertz, Nr. 1. Annaien des hist. Vereins CHI. 4.
doi:10.7788/annalen-1919-jg03 fatcat:qsceigmk2jb3fd5mwvpgj2urwm