Weitere Untersuchungen über die antagonistische Wirkung normaler Sera
R. Pfeiffer, E. Friedberger
1905
Deutsche Medizinische Wochenschrift
In No. 1 des vorliegenden Jahrgangs dieser Wochensehrift haben wir kurz über die interessante Eigenschaft gewisser normaler Sera berichtet, nach Ausfüllung mit Bakterien die Bakteriolyse durch für diese Bakterien spezifische Immunambozeptoren im Meerschweinchenperitoneum z u verhindern. Diese Untersuchungen, die sowohl theoretische wie praktische Bedeutung für das Verständnis und die Auffassung des Wesens der Immunität beanspruchen dürften, haben wir seitdem ununterbrochen weiter fortgesetzt.
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... Folgenden wollen wir kurz über die Hauptresultate unserer neuesten Versuche berichten und dabei zugleich auf einige andere Arbeiten eingehen, die im Anschluß an unsere erste Publikation erschienen sind. In der ersten Mitteilung hatten wir bereits eine Reihe Möglichkeiten zur Erklärung des von uns sogenannten "antagonistischen" Phänomens herangezogen. Am nächsten lag natürlich die Annahme, daß Bakterienprodukte, welche nach Entfernung der zur Ausfüllung benutzten Bakterien im Normalserum zurückgeblieben wären, für die Hemmung der Bakteriolyse verantwortlich zu machen seien. Diese Auffassung würde auch am ungezwungensten die von uns betonte Spezifität der antagonistischen Wirkung erklären. Wir haben allerdings bereits in unserer früheren Publikation unter Absatz 9 bis 11 Kontrollversuche mitgeteilt, die gegen diese einfache Erklärung sprechen. Weitere Untersuchungen haben uns in unserer abweisenden Haltung gegenüber dieser Hypothese nur bestärkt. o hatten wir uns seinerzeit davon überzeugt, daß, wenn die Bakterien statt mit Serum, mit 0,8 0/0 Kochsalzlösung eine Stunde lang in Kontakt geblieben waren, das Zentrifugat keine hemmende 1) Berliner klinische Wochenschrift 1904, S. 57. -2) Société Biologie Bd. 55, S. 287. 144 Wirkung zeigte, obwohl auch die physiologische Kochsalzlösung nach dem Abzentrifugieren der Bakterien sicherlich noch Bakterienprodukte mit bindenden Gruppen enthalten haben muß. Es igt nun bekannt, daß die Benutzung destillierten Wassers als Suspensionsflüssigkeit besonders geeignet ist, aus den Bakterienleibern sogenannte freie Rezeptoren zu extrahieren, und wir haben daher auf einen in diesem Sinn mündlich geäußerten Einwand A. Wassermanns hin uns veranlaßt gesehen , die vorerwähnten Versuche unter Verwendung von destilliertem Wasser an Stelle von physiologischer Kochsalzlösung zu wiederholen. Die in destilliertem Wasser aufgeschwemmten Bakterien ließen sich nur schwer durch die Zentrifuge ausschleudern; jedenfalls dauerte es selbst bei höchster Tourenzahl sehr lange , bis die überstehende Flüssigkeit einigermaßen klar war. Mit derartigen ungenügend ausgeschleuderten Emulsionen konnte man nun tatsächlich einen hemmenden Effekt erzielen, der selbstverständlich auf die beträchtlichen, in der Suspensionsflüssigkeit zurückgebliebenen Bakterienmengen bezogen werden mußte. Aber unsern Erwartungen entsprechend ließ dieselbe Flüssigkeit jede Spur von Hemmungswirkung vermissen, sobald nur durch genügend langes Zentrifugieren die Klärung vollständiger geworden war, oder durch Filtration mit Berkefeldfiltern die corpusculären Elemente entfernt waren. 5 cern aq. dest. wurden rnit einer Oholerakultur zwei Stunden bei 370 digeriert, dann wurde zentrifugiert. 0,5 des noch trüben Zentrifrigates + 2 1.-E. Choleraziegenserurns ± 1 Oese Cholera tötete ein Meemchweinchen bei intraperitonealer Injektion unter rapider Vibrionenzunahme. Dasselbe Zentrifugat hat nach nochmaligem Zentrifugieren bei sonst gleicher Versuchsanordnung seine hemmende Wirkung gänzlich verloren. Eine zweite Bakteriensuspension in destilliertem Wasser wurde nach 2ostiindiger Digestion bei 37° durch eine Berkefeldkerze filtriert; das Filtrat zeigte selbst in der hohen Dosis von 1,0 keinen hemmenden Effekt gegenüber 2 1.-E. Oholeraziegenserums. Wir wollen hier besonders hervorheben, daß bei unseren Versuchen mit Serum stets so lange zentrifugiert wurde, bis die obenstehende Flüssigkeit vollkommen klar war, weit klarer als es bei Verwendung von destilliertem Wasser überhaupt je zu erreichen war; auch blieb, was besonders wichtig ist, der Hemmungseffekt ausgefüllter Sera unverändert, wenn die Bakterien anstatt durch Zentrifugieren durch Filtration mittels bakteriendichter Berkefeldkerzen entfernt wurden. Dazu kommt noch, daß wir mehrfach Sera gefunden haben, deren Hemmungsdosis 0,1 betrug, während die lOfach höheren Mengen des Zentrifugates der Bakterienemulsionen mit destilliertem Wasser unwirksam waren. Es können also füglieh nicht in der Flüssigkeit zurückgebliebene "freie Rezeptoren", welche die Ambozeptoren abfangen, für die eintretende antagonistische Wirkung verantwortlich gemacht werden. Gegen diese Auffassung spricht auch noch die Tatsache, daß ein hemmend gemachtes Serum bereits durch 1/5stündiges Erwärmen auf 65 bis 70° in seiner antagonistischen Wirkung aufs stärkste geschädigt wird. Es ist das aber eine Temperatur, bei der noch keineswegs die Bindungsfähigkeit etwaiger für die Hemmung verantwortlich zu machender Bakteriengruppen gegenüber den auf sie passenden Ambozeptoren herabgesetzt ist. Wissen wir doch, daß selbst auf 100° erhitzte Bakterien die Affinität ihrer bindenden Gruppen zum Ambozeptor noch in hohem Grade gewahrt haben. Trotz dieser Ueberlegungen haben wir uns bemüht, die von uns benutzte Versuchsanordnung derart abzuändern, daß nunmehr die Beteiligung von Bakterienelementen an dem Zustandekommen des von uns beobachteten Phänomens auszuschließen sein dürfte. Während wir früher das Hemmungsserum mit dem Immunserum gemischt vor Zusatz der Bakterien 20 Minuten stehen ließen, verfahren wir jetzt durchgehend so, daß wir zuerst die Bakteriendosis (1 Oese) im Hemmungsserum aufschwemrnen, darauf die Dosis des Immunserums hinzufügen und dann sofort injizieren. Bei der älteren Versuchsanordnung bestand immerhin die Möglichkeit, daß die Ambozeptoren des Immunserums von den im ausgefällten Normalserum zurückgebliebenen Bakterienrezeptoren gebunden und dadurch von den nachträglich zuge-20. Juli. DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOC}IENSCHRIFT. 114 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0029-1188237
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