Resteverwertung: zeitgenössische Kunst und das, was übrig bleibt
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Angela Matyssek
2022
MUSEALE RESTE
Einige Kunstwerke versprechen Restlosigkeit. Dazu zählen Wilhelm Mundts Trashstones (seit 1989). Mundt verarbeitet in diesen Gebilden, die Findlingen ähneln, seinen Produktions und Atelierabfall sowie Elemente alter Skulpturen. Er ummantelt sie mit oft buntem, mehrschichtigem Kunstharz oder auch Aluminiumguss. 1 ◊ Abb. 1 Jede der hoch artifiziell wirkenden Plastiken ist hinsichtlich Form, Farbe, Größe und Gewicht ein Unikat. Ihre fortlaufende Nummerierung verweist dagegen auf eine Produkti
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... tte, bei der ein Werk aus dem früheren entsteht und in das nächste übergeht. Die Trashstones, die den Abfall als Titel und Inhalt mit sich tragen, geben diesem als Kunst neuen Wert. Er liegt fortan, vom Künstler geformt und in glänzende Ober flächen verhüllt, im Museum. Die immer neuen Abfälle, die während der Arbeit an den Trashstones anfallen, gewährleisten die stetige Produktion. Die Werkserie handelt so von produktiven Resten -Rest gehört auch zu den Synonymen für Abfall -und bestreitet die vermeintliche Wertlosigkeit des Abfalls per Verarbeitungsstrategie. Ist Restlosigkeit bei Mundt künstlerisches Konzept -Dinge, die den Weg ins Atelier fin den, werden zu Kunstwerken verarbeitet -, so unterliegt ein institutionell gewendetes Versprechen auf Restlosigkeit auch dem Bewahrungsparadigma des Kunstmuseums: die Vorstellung, dass Kunstwerke in dem Zustand, in dem sie in das Museum eingehen, erhalten werden können. 2 Debatten über die Authentizität oder Identität von Objekten haben ihren Ursprung darin, dass dies in der Praxis unmöglich ist. Restaurator*innen sammeln aber zum Beispiel zerfallene Materialien, die aus Kunstwerken ausgesondert werden. Und wie alle Archive tendieren auch Museumsarchive in ihrer konzeptionellen Grundidee zur Vollständigkeit. Denn es ist nicht abzusehen, welche Reste noch einmal benötigt werden. Dass der Status von Resten zwischen unbrauchbarem Abfall und produktivem Mehrwert wechseln kann, lässt sich auch anhand der Begriffsgeschichte nachvollziehen. Das Wort "Rest" kommt vom lateinischen Verb restare, das "zurückstehen", "zurück bleiben" oder "übrigbleiben" bedeutet, und bezeichnet etwa in der Kaufmannssprache die bei einer Rechnungslegung übrigbleibende Schuld oder das Guthaben. 3 Reste stehen hier also entweder für negative oder positive Finanzwerte. In der Geschichtswissen schaft nannte schon Johann Gustav Droysen in seiner Quellentypologie diejenigen Quel
doi:10.1515/9783110733372-010
fatcat:6bk3joerkbbjjamt5qrcbz7cf4