Strandcabines. Knokke - Koksijde [chapter]

Christoph Zuschlag
2018
Es gibt eine Reihe von Künstleräußerungen, die in der kunstgeschichtlichen Literatur immer wieder gern zitiert werden. Dazu gehört der Satz von Paul Klee: "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar." Im Hinblick auf das künstlerische Werk von Götz Diergarten kann man Klee indes nicht zustimmen. Denn dieses Werk zeigt eindringlich, dass Kunst sehr wohl das Sichtbare wiedergeben und zugleich sichtbar machen kann. Götz Diergartens Medium ist die Fotografie -und doch gibt es
more » ... Bezüge zur Malerei. Sein Thema ist die Architektur der Alltagswelt -und doch erzählen seine menschenleeren Bildwelten viel vom Menschen. Bereits seine frühesten Serien "Typographie" (1995 bis 1998) und "Fassaden" (1997 bis 2001) zeigen alle für Diergarten charakteristischen Merkmale: Streng frontal und bei neutralem, gänzlich "undramatischem" Streulicht aufgenommen, sind die Ausschnitte so gewählt, dass Flächen und Linien ein abstraktes Ordnungsgefüge wie in einem geometrisch-konstruktiven Gemälde bilden. Diergartens fotografischer Blick ist ein sachlich-nüchterner, dabei ungemein präziser, die Aura seiner "Fotobilder" kühl und emotionslos, dabei jedoch nicht ohne hintergründigen Humor. Und schließlich nutzt der Künstler das Prinzip der Serie, das die systematische bildnerische Erkundung eines Themas erlaubt. Hinzu kommt die Verbindung des Typologischen mit der Farbe. Typologien haben in der Fotokunst seit den Serien August Sanders, spätestens aber seit den konzeptuell geprägten, sachlich-strengen Schwarzweiß-Fotografien von Bernd und Hilla Becher Tradition. Doch trotz der methodischen Parallele ist das künstlerische Konzept Götz Diergartens ein ganz anderes. Er bereichert das Prinzip der Architekturtypologie um Farbe und Fläche und baut auf diese Weise eine Brücke zur Malerei. Während die Bechers mit ihrer Arbeit eine Art kulturelle Anthropologie betreiben, geht es Diergarten letztlich immer um das Bild als Bild -und nicht als Dokument. Seine Hinwendung zur Alltagskultur und zur Farbe lässt überdies auch eine Verwandtschaft zu Fotografen wie William Eggleston und Stephen Shore erkennen.
doi:10.11588/artdok.00005905 fatcat:4hjpcu74x5dnbbp7apzj3rs7xe