Adrenogenitales Syndrom bei 21-Hydroxylase-Mangel

Tanja Haamberg, Amineh Troendle, Franziska Phan-Hug, Brigitte Wyniger, E Christa, Flück, Arbeitsgruppe Dsd Der Sgped
unpublished
Obwohl die Pathogenese, die Genetik und die Therapie des Adrenogenitalen Syn-droms (AGS) bei 21-Hydroxylase-Mangel schon lange bekannt sind und ein erfolg-reiches Neugeborenen-Screening-Programm seit 1992 etabliert ist, gibt es immer noch offene Fragen. Unter anderem sind neue Medikamente, «quality of life», Neues aus der Pränatalmedizin und Fertilität Themen aktueller Diskussionen. Ebenso ein wichtiges Thema ist der «informierte Patient», welcher im Besitz seiner Krankheitsdaten ist und diese
more » ... uch versteht. Tanja Haamberg P e e r r e v ie w e d a r tic l e Auf Anfrage der ags-initiative.ch, der Patientenvereinigung der AGS-Betroffenen der Schweiz, haben wir als Beitrag für den in-formierten Patienten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe DSD («disorders of sexual development») der Schweizerischen Gesellschaft für Pä diatrische Endokrinologie und Diabetologie eine Gesundheitscheckliste erstellt, in welcher alle wichtigen Ge-sundheitsdaten eines AGS-Betroffenen zusammengefasst wer-den können. Diese Checkliste wird dem Patienten (respektive seinen Eltern) zur Selbstverwaltung ausgehändigt und bei Arzt-visiten idealerweise fortlaufend ergänzt. Im folgenden Artikel möchten wir auf diese Checkliste aufmerksam machen und neue Aspekte zum Thema AGS beleuchten. Hintergrund [1] Das klassische AGS ist eine autosomal rezessive Er-krankung, der eine angeborene Störung der Kortisol-biosynthese zugrunde liegt. Es betrifft in der Schweiz ca. 1:9000 Neugeborene (Daten gemäss www.neoscree-ning.ch) und wird typischerweise durch eine Mutation im CYP21A2-Gen verursacht, welches für das Enzym 21-Hydroxylase kodiert. Dieses katalysiert die Bildung von 11-Deoxycortisol aus 17-Hydroxyprogesteron (17OHP) sowie die Bildung von Deoxycorticosteron aus Progesteron. Beim klassischen AGS bei 21-Hydroxy-lase-Mangel ist die Enzymaktivität auf <5% seiner Funktion reduziert (Abb. 1). Aufgrund des Mangels an Gluko-sowie Mineralokortikoiden kommt es zu einer negativen Feedback-Stimulation. Kortisolmangel ver-ursacht einen Anstieg von CRH («corticotropin-releasing hormone») im Hypothalamus und von ACTH («adrenocorticotropic hormone») in der Hypophyse (Abb. 2). ACTH stimuliert die Nebennierenrinde, welche jedoch aufgrund des Defektes anstelle von Kortisol nur vermehrt Nebennierenandrogene produzieren kann (Abb. 1 und 2). Bei betroffenen Mädchen führt dies zur Virilisierung des äusseren Genitales in utero oder auch postnatal. Betroffene Jungen zeigen klinisch keine genitalen Auf-fälligkeiten bei Geburt. Nicht behandelte Kinder oder Kinder mit nicht ausreichender Therapie zeigen im Verlauf aufgrund der Erhöhung der Androgene ein deutlich akzeleriertes Knochenalter und Wachstum sowie eine verfrühte Pseudo-Pubertät, was zu Klein-wuchs im Erwachsenenalter führen kann. Aldosteron-mangel führt zur Stimulation des regulatorischen Renin-Angiotensin-Systems (Abb. 2). Beim salzverlie-renden AGS kommt es durch den Mangel an Aldoste-ron zur vermehrten Ausscheidung von Natrium und Wasser bei gleichzeitig vermehrter Kaliumrückresorp-tion, was bereits in der ersten Lebenswoche zu lebens-gefährlichen Elektrolytstörungen mit Hypo natriämie und Hyperkaliämie sowie metabolischer Azidose füh-ren kann. Im späteren Verlauf kann es zudem zu einer Gedeihstörung kommen. Die Kinder können im Ex-tremfall akut, im hypovolämen Schock versterben. In der Schweiz (und den meisten europäischen Län-dern) wird durch Messung des 17OHP mittels Immuno-assay die Erkrankung im Neugeborenen-Screening am vierten Lebenstag («Guthrie-Test») erfasst und kann SWISS MEDICAL FORUM-SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2017;17(12):284-290 Published under the copyright license "Attribution-Non-Commercial-NoDerivatives 4.0". No commercial reuse without permission.
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