Religionswissenschaftlicher Einstieg : zum Verhältnis von Religion und ihren Medien [article]

Volkhard Krech, Martin Radermacher, Universitaet Tuebingen
2021
Religionswissenschaftlicher Einstieg Zum Verhältnis von Rel igion und ihren Medien Kunst und Religion haben gemeinsam, etwas malend oder plastisch in besonderer Weise zur Darstellung zu bringen. Beide können sich einander annähern, aber auch in Konkurren z zueinander stehen oder sich wechselseit ig ergänzen. Sowohl die Religion als auch die Kunst haben einen besonderen Blick auf die W elt, der d ie alltägliche Wahrnehmung überschreitet. Während Religion mit Heilsfragen befasst ist, setzt sich
more » ... e l(unst primär mit ästhetischen Fragen auseinander, wobei immer w ieder thematisiert wird, welchen Status gemalte Bilder und plastische Objekte (etwa Statuen, Reliefs usw.) haben. Sind sie ledigl ich ein Mittel, um Verborgenes, Unsichtbares, Unbekannt es darzust ellen? Sind es die Bilder selbst, d ie etwas, was sonst nicht existieren würde, hervorbringen? Oder verstellen Bilder den Bl ick auf das, worauf sie hinweisen wollen? Die Beantwortung dieser Fragen bewegt sich innerhalb der Religions-und Kunstgesch ichte im Spannungsfeld von enthusiastischer Bejahung, verhaltener Skepsis gegenü ber und emphatischer Ablehnung von Bildern. Das wohl bekannteste historische Beispiel für e ine -auch gewaltsame -Auseinandersetzung mit der Legit im ität von Bildern und plastischen O bj ekten ist im europäischen Kontext der reformatorische Bildersturm . Der Reformator Martin Luther hat sich allerdings erst 1522 in der dritten lnvokavitpredigt öffentlich zu Bildern geäußert. Dabei g ing es ihm mehr um die »inneren Bilder« und um das rechte Abendmah lsverständnis. Andere Reformatoren w ie Huldrych Zwingli und Johannes Calvin waren stärker gegen Bilder eingestellt, w eil sie das biblische Bilderverbot betonten. In ihrem Gefolge wurden in der Reformationszeit Kreuze und Bilder aus Kirchen entfernt und teilweise mutwillig zerstört. Karlstadt (Andreas Rudolff Bodenstein) kann als stärkster reformatorischer Bilderfeind betrachtet werden (siehe hierzu auch den Beitrag von Bauer in diesem Band) . 1 Umgekehrt sind Ikonen aus der christlich-orthod oxen Welt ein Beispiel für eine enthusiastische religiöse Bejahung von Bildern. Bereits das byzantinische Christentum verstand die Ikone als Ausweis der konkreten und sichtbaren Nähe Gottes. Sie ist gleichsam ein Spiegelbild göttlicher Wirklichkeit in der irdischen Welt und als solches nicht nu r ein einfaches Mittel zur Darstellung von Transzendenz. Ikonen haben nach Auffassung christlich-orthodoxer Theologie vielmehr selbst Anteil an der göttl ichen Wirklichkeit und gelten somit als verehrungswürdig. Auch ihre Herstellung bedarf besonderer Kom petenz und Umsicht (siehe hierzu auch Abb. S. 95). Die beiden Beispiele ließen sich um zah lreiche weitere, auch aus anderen Religionen , erweitern. Sie weisen auf Probleme hin, die Religion mit gemalten Bildern und plast ischen Obj ekten hat. Einerseits kann das Transzendente, auf das sich Religion bezieht, nie direkt erfasst und dargestellt werden ; weder im körperlichen Verhalten noch mit Bildern oder Wörtern. Darauf machen etwa die negative Theologie und
doi:10.15496/publikation-62756 fatcat:u6ydsypxbrddvivlcxm3hjjmcm